FOTO Anke Kronemeyer
Maultaschen und Trollinger, Spätzle und Lemberger: Genau – mehr eindeutige Marke und klares Symbol für schwäbische Genüsse gibt es nicht. Auch wenn es wesentlich mehr kulinarische Aspekte gibt, so weiß man doch genau, wo man sich bei dieser Kombination befindet – in und um Stuttgart.
Die baden-württembergische Landes-hauptstadt gilt als pulsierende Wirtschaftsmetropole, das benachbarte Remstal als Region mit hohem Freizeitwert, in dem zudem noch toller Wein wächst. Eine perfekte Mischung also von Kultur und Natur sowie Großstadt und Landleben.
Hier das Werk von Mercedes-Benz, dort die Firmensilhouette von Bosch, etwas weiter das Porsche-Imperium: Stuttgart steht eindeutig für Industrie, Schwerpunkt Autofertigung. Aber – und genau das ist das Faszinierende an der Landeshauptstadt – fährt man nur wenige Kilometer stadt- auswärts, steht man im Grünen. Sogar in den Weinbergen, wie zum Beispiel in Untertürkheim. Gleich nach der Stadtgrenze beginnt das Remstal und damit eine ganz andere Welt als die einer Großstadt mit ihren rund 640.000 Einwohnern, von denen
übrigens mit 45 Prozent fast jeder zweite Migrationshintergrund hat. Stuttgart war immer schon „multikulti“, das Wort kann hier erfunden worden sein. Hier leben Italiener, Türken, Amerikaner, Japaner und Deutsche traditionell in einer für alle Seiten fruchtbaren Beziehung.
Allein der Einfluss der Italiener auf die schwäbische Gastronomie ist bemerkenswert, genauso wie die der orientalischen Küche. Stuttgart ist gastronomisch gesehen zudem auf hohem Niveau: Spitzenköche wie Vincent Klink auf der Wielandshöhe oder Bernd Bachofer in Waiblingen reicht, roch die Wohnung noch tagelang nach Kohl und war es eher ein Arme-Leute-Essen. Heute wird es ganz elegant zum gebratenen Zander oder zu Maultaschen, zu Tofu und Rostbraten gereicht. Dabei wird es genauso roh wie auch vergoren – beziehungsweise ganz modern fermentiert – zubereitet. Es wächst ausschließlich auf Feldern südlich von Stuttgart auf den fruchtbaren Lössböden und wird direkt vor Ort nach der Ernte verarbeitet. Welche Rolle spielt der Wein in und um Stuttgart? Eine große – zum einen natürlich als täglicher Begleiter zur Vesper oder zum Abendessen, aber auch als Landschaftskulturgut und Wirtschaftsfaktor. Viele Winzer, die meisten im Remstal, leben vom Ertrag ihrer Weinberge. Dabei bleiben nicht alle Tropfen im Land, auch die Exportzahlen sind beachtlich. Neben den Winzern gibt es in und um Stuttgart traditionell viele Genossenschaften. Das hat Vorteile für die Verbraucherinnen und Verbraucher, die so auf günstigere Alternativen in der Flasche zurückgreifen können. Es ist aber auch gut für den Erhalt der Kulturlandschaft. Gerade rund um Stuttgart gibt es viele Steillagen und Mauerweinberge. Dass sie gepflegt werden, liegt auch an den zahlreichen kleinen und Nebenerwerbswinzern der Weingärtnergenossenschaften, die ihren Hauptjob „beim Daimler“, „beim Bosch“ oder anderswo in der Industrie haben.
Die meisten Winzer der Region rund um Stuttgart bauen ihren Wein im Remstal an, entlang der 80 Kilometer langen Rems, die von Esslingen auf der Schwäbischen Alb nach Remseck am Neckar fließt.
Dort begegnet dem Besucher eine Landschaft, die von sonnigen Weinbergen, lichten Waldgebieten, bunten Streuobstwiesen und einer idyllischen Auenlandschaft geprägt ist. Zahlreiche Aussichtspunkte und innovativ gestaltete Aussichtstürme bieten einen tollen Rundblick, der bei gutem Wetter bis zur Schwäbischen Alb reicht. Im Remstal laden Orte wie Fellbach, Kernen, Schorndorf oder Schwäbisch Gmünd ein, sich mit Land und Leuten zu beschäftigen, in eine der zahlreichen Besenwirtschaften einzukehren und den Trollinger,
Lemberger, Sauvignon Blanc oder Riesling direkt vom Winzer zu verkosten. Das Remstal ist ein Eldorado für Wanderer. So führt der Remstalweg über 215 Kilometer von der Quelle der Rems bis zur Mündung in den Neckar entlang von kleinen Orten, Feldern und Wäldern. Bei der 40 Kilometer langen Genusswanderroute lässt man sich unterwegs in Gasthöfen oder im „Besa“ verwöhnen. Aber auch Pilger-Wanderer finden an sieben Etappen die Möglichkeit, ihre Pilger-Stempel abzuholen.
Aber ganz egal, wie sich der Besucher das Remstal erobert – ob zu Fuß, mit dem Fahrrad oder privatem Pkw –, er sollte auf jeden Fall ins Kino gehen. Nein, nicht in ein normales, abgedunkeltes mit Leinwand, sondern ins Open-Air-Kino. In den Weinbergen von Beutelsbach stehen Stühle und Bänke – und das war’s. Genau dort ist das schönste Kino überhaupt: Man kann einfach Platz nehmen, in die filmreife Landschaft gucken und nichts tun. Okay – vielleicht ein Glas Wein aus der eigenen Kühltasche trinken. Aber sonst nichts. Außer: das Leben genießen.
TEXT Anke Kronemeyer / FOTO StuttgartMarketing GmbH / Volker Eckhardt
TIPPS VON SEBASTIANO DI GENNARO
Wenn jemand die italienische Tafelkultur nach Stuttgart gebracht hat, dann ist es Familie Di Gennaro: Michele und Antonio gehören zur Gastarbeiter-Generation, die in den 1960er-Jahren aus Apulien nach Deutschland kam. Sie bauten einen italienischen Feinkost- und Weinhandel auf mit Filialen in der Stuttgarter Markthalle, Sindelfingen, Düsseldorf und Nürnberg. Aus dem Distributionszentrum in Stuttgart-Ost beliefern sie bundesweit Einzelhandel und Gastronomie. Sebastiano Di Gennaro startete 2008 eine grundlegende Erneuerung des Unternehmens.
Landgasthaus Hirsch
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Restaurant im Künstlerhaus Stuttgart
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Zur Weinsteige
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