Balsamico ist nicht gleich Balsamico – worauf es ankommt!
Heute: Autor und G&M-Verkoster Jossi Loibl erklärt, wie man industrielle Massenware vom handwerklich erzeugten kulinarischen Schatz unterscheidet. Echter Aceto Balsamico Tradizionale kann in 100 ml-Fläschchen über 90 € kosten – und ist jeden Tropfen wert. Doch man muss ihn erkennen können!
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TEXT Jossi Loibl
Balsamessig – Aceto Balsamico
Das bedeutet erst mal gar nichts. Oder doch: Industriell hergestellter Essig wird mit Traubenmost, Zucker, Farbstoffen (E 150 a) und Verdickungsmitteln gepimpt. Einzige Vorschrift: „Essig“ muss nach EU-Recht 5 % Säure haben. Solcher Balsamico ist billig in der Herstellung und eindimensional im Geschmack. Weißen Balsamico gibt es auch, für ihn gilt dasselbe. Noch mehr Lebensmittelindustrie steckt in „Crema di Balsamico“. Aus Modena stammen muss Aceto Balsamico nicht, wie der Europäische Gerichtshof 2019 urteilte.
Aceto Balsamico di Modena IGT
Interessanter wird es mit Aceto Balsamico di Modena. Der geografisch geschützte Essig wird aus einer Mischung von Traubenmost und Weinessig hergestellt. Er reift mindestens 60 Tage in Fässern, ab drei Jahren Lagerung darf er den Zusatz „Invecchiato“ (ital. „gealtert“) tragen, Top-Qualitäten reifen noch länger. Die jungen, einfachen Varianten eignen sich für Salatmarinaden, ältere nähern sich in Komplexität und aromatischer Tiefe der traditionellen Variante (siehe unten). Sie verfeinern Saucen, ein paar Tropfen auf Tortelloni oder gereiftem Hartkäse sind echte Genussverstärker. 20 Euro für 250 ml (Endverbraucherpreis) sollte man für diesen Verwendungszweck schon anlegen Das Schutzkonsortium forciert aktuell ein Siegel, das die Art des Balsamico anzeigt: Ein Punkt bedeutet jung und säuerlich, maximal fünf Punkte süß und zähflüssig.
Aceto Balsamico tradizionale di Modena / Reggio Emilia DOP
Die hohe Schule, ein exklusives, handwerklich hergestelltes Produkt. Aceto Balsamico tradizionale wird ausschließlich aus Traubenmost der Region produziert. Er reift über viele Jahre in Reihen von kleiner werdenden Fässern („Batteria“) aus verschiedenen Hölzern. Entsprechend wird die Menge immer weniger, der Geschmack konzentrierter. Er wird als „Schwarzes Gold“ bezeichnet und kostet pro Gramm weit mehr als Silber. Die ikonische 100-ml-Flasche (ab ca. 90 Euro) wurde von Giorgetto Gugiaro gestaltet, der mit seinen Entwürfen für Fiat und Volkswagen Design-Geschichte geschrieben hat. Eine gelb-rötliche Kapsel steht für 12-jährigen, eine Goldkapsel für 25-jährigen Balsamico. Aktuell ist es en vogue Balsamico tradizionale als Aperitif zu genießen, z. B. gemixt mit Gin und Blutorange. Er hebt zarten Fisch, Erdbeeren und Sahneeis in ungeahnte Höhen. Frucht, Frische und aromatische Tiefe zeigen sich grandios bei gegrilltem Pfirsich mit ein paar Tropfen Balsamico tradizionale – maximales kulinarisches Glück.

