„Man muss wissen, wo man herkommt“

Die feinste Wahl: Manufaktur Jörg Geiger

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TEXT Nick Pulina | FOTOS Manufaktur Jörg Geiger

„Für mich bitte nur Wasser, ich muss noch fahren.“ Ein Satz, wie er täglich hundertfach in Restaurants, Bars und Gasthäusern zu hören ist. Und auch, wer aus anderen Gründen lieber nicht zu Wein, Sekt und Bier greifen möchte, hatte hierzulande stets nur geringe Wahlmöglichkeiten – doch Zeiten ändern sich. Einer der wichtigsten Vorreiter einer alkoholfreien Getränkekultur in den Restaurants der Republik ist Jörg Geiger. In seiner Getränkemanufaktur in Schlat auf der Schwäbischen Alb produziert der gelernte Koch und Landwirt erstklassige Kompositionen aus Säften, Gewürzen, Kräutern und Blüten, die es auch den abstinent lebenden Genießer:innen unter uns ermöglichen, spritzige Spaßmacher und spannende Speisenbegleiter ins Glas zu bekommen. Für uns gehört die Manufaktur Jörg Geiger zur feinsten Wahl Deutschlands.

„ApfelSinfonie“, „Rosenzauber“ und „Winterbirnentraum“, „Inspiration 4.1“, „35 Grad“ oder „[dʒɪn] BITTER“. Dass es Jörg Geiger und seinem Team nicht an Kreativität mangelt, wird schon bei einem Blick auf die klangvollen Namen ihrer Produkte klar. Wer das Auge anschließend über die Inhaltsstoffe einiger jener Getränke schweifen lässt, bekommt diesen Eindruck untermauert: Hier werden Sämling, Rhabarber und roter Senf gemischt, dort Apfel, Vogelmiere und Meersalz verschnitten oder entalkoholisierter Sauvignon Blanc mit Mirabellen und Blüten angereichert. Bei Jörg Geiger gibt es nichts, was es nicht gibt. Aus seiner weit über 300 Ausgangsprodukte umfassenden Aromenpalette, darunter allein zweihundert getrocknete Gewürze und Kräuter, siebzig frisch zu verarbeitende Aromaten und eine Vielzahl an Säften unterschiedlicher Obst- und Gemüsesorten, erschafft der 54-Jährige zuvor unerschmeckte Kompositionen. Mit Spaß am Experiment, einer gewissen Virtuosität und jahrzehntelanger Erfahrung hat er sich zu einem der wichtigsten Produzenten für hochwertige alkoholfreie Getränke in Deutschland entwickelt. Ein Zufall war das nicht.

Als Geiger im Jahr 1993 das heute rund 350 Jahre alte Familienunternehmen übernahm, war noch nicht ganz klar, wohin der Weg gehen würde. Immerhin beinhaltete der Betrieb neben der Landwirtschaft auch eine Brennerei und einen Gasthof. Letzteren einmal weiterzuführen, war einst der ursprüngliche Plan für den jüngsten von drei Brüdern, weshalb sich Geiger, bevor er zurück ins heimische Schlat kam, zunächst einmal in Frankreich zum Koch ausbilden ließ: „Meine wirkliche Faszination fürs Kochen kam erst in Frankreich so richtig auf. Mir gefiel die Rolle eines französischen Kochs als Botschafter für die Produkte und Küche seine Region viel besser als dieser deutsche Drang, Lebensmittel immer günstiger, aber eben nicht besser herzustellen. Den Wunsch, auch so ein Botschafter für unsere Region zu sein, habe ich dann mit zurück nach Deutschland gebracht.“

Und so hat er auch gehandelt, als er 1993 das Ruder übernahm. Der Gasthof wurde fortgeführt, doch der Fokus des jungen Kochs verschob sich auf die anderen beiden Standbeine: „Ich wollte es möglich machen, dass die Menschen stolz sein können auf die landschaftsprägenden Bäume, die hier überall bei uns wachsen und die sie von ihren Großeltern geerbt haben.“ Die Landwirtschaft wurde intensiviert, die Brennerei kurzerhand in eine Produktionsstätte für Fruchtsäfte umgewandelt und der Betrieb im Jahr 2003 endgültig unter dem heutigen Namen ‚Manufaktur Jörg Geiger‘ am Markt präsentiert.

Geigers Erfahrung und in der Kochausbildung angeeignetes Wissen hatten schon früh einen großen Einfluss darauf, wie er seine Arbeit wahrnahm: „Als Koch darf und muss man kreativ sein. Im Gegensatz zu Winzern oder Getränketechnologen, die irgendwo doch immer in ihren relativ klaren Bahnen bleiben müssen, musste ich mich nie einschränken lassen. Wenn ich merke, dass irgendwo noch ein Produkt am Markt fehlt oder ich von meinen Gastro-Kunden gezielt um etwas gebeten werde, lege ich los. Dann gehe ich in die Natur, finde Blüten oder Kräuter, schaue, was ich selbst noch im Fundus habe und beginne, zu kombinieren. So baut man sich über die Jahre ein ganz gutes Sortiment auf.“

„Mein Ziel ist es“, so Geiger weiter, „dem Sommelier eine komplette Klaviatur anbieten zu können, mit der er alles auch alkoholfrei begleiten kann, was aus der Küche kommt.“ Noch immer bildet die gehobene Gastronomie eines der wichtigsten Standbeine für die Manufaktur. „Wahrscheinlich ist das am Ende des Tages nicht das lukrativste Feld, aber die Gastronomie ist unser Botschafter. Das würden wahrscheinlich viele anders sehen, aber dort liegen nun mal meine Wurzeln. Man muss wissen, wo man herkommt.“

Dass das auch für die Produkte gilt, die Geiger in seinem Betrieb weiterverarbeitet, ist ein wichtiger Grundsatz seines Arbeitens. Was er nicht selbst anbaut oder im Wald aufsammelt, kommt von einigen wenigen, handverlesenen Kollegen, die ihn beispielsweise mit frischen Kräutern versorgen. Und auch bei der Beschaffung der wohl wichtigsten Lebensmittel für seine Manufaktur – die verschiedenen Obst- und Gemüsesorten – gilt das natürlich: „Im eigenen Anbau sind wir zu einhundert Prozent bio-zertifiziert“, sagt Geiger. „In der Produktion ist es gemischt. Da wir unser Obst von knapp 350 unterschiedlich großen Erzeugerbetrieben geliefert bekommen, lohnt sich eine Zertifizierung schlichtweg nicht für alle. Bei den Großen erwarten wir es, aber wenn es sich für die kleineren Zulieferer nicht rentiert, ist das natürlich nur wenig zielführend. Die kennen wir ohnehin gut genug, um für beste Qualität garantieren zu können. Außerdem sind all unsere Erzeuger Mitglied im Verein Wiesenobst. Die Flächen sind also alle angemeldet und ihre Qualifikation kontrolliert.“

Lange Zeit lag Jörg Geigers Fokus auf der Produktion prickelnder Erfrischungsgetränke, die schnell eine äußerst beliebte Alternative zu den nur schwer genießbaren alkoholfreien Sekten der Industrie wurden. Irgendwann wurde es schließlich auch zum Ziel, ebenso gute alkoholfreie Alternativen für Stillweine anbieten zu können. Diese liegen nun vor, beispielsweise in Form der bereits erwähnten Gratwanderung-Cuvees oder der etwas experimentelleren Inspiration-Reihe. „Wir arbeiten da natürlich auch mit entalkoholisiertem Wein. Wenn man so ein Produkt im Supermarkt kauft, ist es meistens so unglaublich süß, dass es an Körperverletzung grenzt. Das wollten wir tunlichst vermeiden. Wir versuchen, dem Wein so nah wie möglich zu kommen. Wenn wir also beispielsweise mit entalkoholisiertem Riesling arbeiten, geben wir ihm auch rieslingtypische Aromen an die Seite, unter anderem also Apfel-, Quitten- und Birnensaft, und feilen mit Kräutern und Blüten etwas nach.“

Dass Geigers Saftkompositionen wahrlich das Zeug dazu haben, auch komplexe Gerichte und Menüfolgen zu begleiten, kann nicht nur in zahlreichen deutschen und internationalen Spitzenrestaurants überprüft werden, sondern auch im Geigerschen Gasthof selbst. Im Lamm in Schlat findet zwar zurzeit kein regulärer Restaurantbetrieb statt, zu besonderen Veranstaltungen wie beispielsweise Menüabenden öffnet er jedoch nach wie vor seine Tore. Doch hier lohnt es sich, schnell zu sein. Die Plätze sind meist Monate im Voraus ausgebucht.

manufaktur-joerg-geiger.de