Ein herber Verlust, nicht nur für Dresden

„So können wir einfach nicht weitermachen“: Jens Pietzonka schließt die Weinzentrale, deren überzeugendes Konzept den harten Realitäten der Branche nicht standhielt

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TEXT Nick Pulina I FOTOS Weinzentrale

„Ich muss jetzt einfach die Reißleine ziehen“, sagt Jens Pietzonka und fasst damit zusammen, was sich für ihn schon seit Anfang des Jahres immer weiter angedeutet hatte: Die Dresdner Weinzentrale schließt zum 31. August für immer ihre Türen.

„Das erste Mal habe ich geschluckt, als der sonst immer sehr gut laufende Januar nicht so viel eingebracht hat. Dann habe ich auf einen starken Februar gehofft, dann auf einen starken März und dann auf einen starken April. Als es im Mai aber immer noch nicht besser geworden war, wurde mir langsam klar, dass etwas passieren musste. Selbst die sonst immer so gefragten Winzerabende fanden nur noch in minimaler Besetzung statt. So können wir einfach nicht weitermachen.“

Jens Pietzonka, Weinzentrale, Dresden

Massiver Konsumrückgang in der Branche

Das Hauptproblem, so Pietzonka, liege auch gar nicht so sehr in der mangelnden Auslastung, sondern vielmehr in den rückläufigen Pro-Kopf-Umsätzen. „Aber das kann man ja eigentlich keinem Gast verübeln. Ich will mich da auch gar nicht auf die gestiegene Mehrwertsteuer zurücklehnen. Macht man den Fernseher an, gibt es, abgesehen von ein paar olympischen Medaillen, keinerlei guten Nachrichten mehr. Da kann ich schon verstehen, wenn man es sich lieber zu Hause gemütlich macht oder zumindest nicht mehr so viel ausgibt, wenn man dann doch mal ausgeht. In der ganzen Branche ist ein massiver Konsumrückgang zu spüren, der auch vor Weingütern und Gourmetrestaurants nicht Halt macht.“

Mit Preisen überschüttet

Pietzonka, der als vielfach ausgezeichneter Spitzensommelier auch dem Gault&Millau-Verkosterteam angehört, hatte die Weinzentrale vor ziemlich genau neun Jahren aus der Taufe gehoben und ist seitdem mit Preisen förmlich überschüttet worden. Mit einem innovativen, nahbaren und äußerst sorgfältig kuratierten Konzept sowie einigen spektakulären Events – man erinnere sich an die Zeit, als er Romanée-Conti-Weine glasweise ausgeschenkt hat – hat sich Pietzonka schnell über Dresdens Stadtgrenzen hinaus einen Namen gemacht. Auf einmal spielte die sächsische Landeshauptstadt in der deutschen Weinwelt eine größere Rolle als so manche Großstadt im Westen. Vielleicht, reflektiert Pietzonka, könnte hier aber auch eines der Probleme liegen: „Guckt man sich das jetzt mal rückblickend an, muss man schon sagen, dass wir immer auch mit einem Auge in den Westen geschielt haben; und die Leute aus dem Westen haben uns geliebt. In der Region selber war das aber eben schon immer etwas schwieriger. Wir haben es immer versucht und unser Bestes getan, um auch hier Menschen für unsere Weine zu begeistern, aber das war viel Arbeit.“

Noch einige spannende Events

Wer sich noch gebührend von der längst zur Institution gewordenen Weinzentrale und ihrem Hausherrn verabschieden will, wird im August die Gelegenheit dazu haben. Regulär geöffnet wird die Bar zwar nicht mehr sein – das Team um Pietzonka nimmt in allseitigem Einvernehmen schon zum 31. Juli seinen Hut –, es sind jedoch noch einige spannende Events angekündigt, z.B. ein Sekt&Kabi-Frühstück, Club-Abende mit DJ und ein bean&beluga-Revival mit Stefan Herrmann. Mit ein bisschen Glück, zumindest seitens der Gäste, könnte es aufgrund des noch länger bestehenden Mietvertrages vielleicht sogar im September und Oktober noch die eine oder andere kleine Veranstaltung geben, ganz spruchreif ist das aber noch nicht. Wir würden uns freuen!

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