Ciudad de México – der neue Hotspot

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TEXT Patricia Engelhorn | TITELFOTO La Valise Mexico/ Leandro Bulzzano

Wer ein außergewöhnliches kulinarisches Abenteuer sucht, muss über den Atlantik schauen. In Mexico City mischt eine neue Gastronomen-Generation alte Traditionen auf und zieht Feinschmecker aus aller Welt an. Im neuen Henris-Magazin erfahren Sie alles über den Foodie-Hotspot.

Ein sonniger Samstagmorgen in Mexico Citys Trend-Viertel Roma Norte. Die Hauptschlagader heißt Colima und ist eine schmale, von hohen Bäumen beschattete Straße mit leicht verwitterten Art-Deco-Gebäuden, hippen Cafés, schicken Boutiquen und Kunstgalerien. Vor der Panaderia Rosetta staut sich eine Menschentraube, die Schlange der Wartenden reicht bis zur nächsten Querstraße und besteht größtenteils aus durchgestylten Menschen, die in ihre Mobiltelefone tippen. „Gut eine Stunde“, lautet die knappe Antwort einer Kellnerin auf die Frage, wie lange es wohl dauern wird, bis ein Terrassentisch erhältlich ist. Dabei möchte ein Teil der Wartenden gar keinen Tisch, sondern nur eines der frisch gebackenen Gerstenbrote, eine Tüte Croissants oder ein Stück der fantastisch aussehenden Erdbeertorte.

Aber egal, wer hier etwas kaufen oder essen möchte, muss warten. Eigentlich immer. Die Panaderia Rosetta ist eine Attraktion: Sie sieht aus wie eine schöne alte französische Boulangerie mit einer Terrasse vor der Tür. Verkäuferinnen und Bedienungen tragen weiße Schürzen über schwarze Hosen, die fluffigen Plunderteig-Schnecken mit Quark und Guavenmarmelade haben Suchtpotenzial. Die Bäckerei gehört zum schräg gegenüberliegenden Restaurant Rosetta, wo man immerhin einen Tisch reservieren kann. Hinter beiden – und noch ein paar weiteren gleichermaßen erfolgreichen Lokalen – steht Mexikos Starköchin Elena Reygadas, die im vergangenen Jahr von The World’s 50 Best Restaurants zur Nr. 1 unter den kochenden Damen gekürt wurde und ganz entschieden zum Hype ihrer Heimatstadt als Foodie-Hochburg beigetragen hat. Trotzdem: Ist das ein Grund, eine gefühlte Ewigkeit auf ein paar Croissants zu warten?

 Man spricht kein Spanisch? No hay problema!

 „Der Versuch, Mexico City zu verstehen, ist wie einen Taco zu öffnen und alle Zutaten, die darin versammelt, vermischt und übereinander gestapelt sind, einzeln analysieren zu wollen – unmöglich“, sagt Enrique Olvera, Inhaber und Küchenchef von Pujol, dem wohl berühmtesten Gourmet-Tempel der Stadt. Tatsächlich dürfte selbst die Füllung des kreativsten aller Tacos überschaubar sein, verglichen mit dem unglaublichen Multikulti der gut neun Millionen Einwohner (im Großraum von Mexico City sind es sogar über 22 Millionen), die die weltweit fünftgrößte Stadt bevölkern. Darunter: Immer mehr kultivierte und/oder coole Ausländer, die dem lässigen Charme, den barocken Kirchen und Jugendstilpalästen, dem angenehmen Klima und der brodelnden Kulturszene der Stadt nicht widerstehen können. Man spricht kein Spanisch? No hay problema! Die Bedienung im Restaurant, der Verkäufer am Obststand oder die Dogwalker, die in den wohlhabenden Vierteln ganze Rudel von Windhunden, Königspudel und Labradoren an der Leine führen, werden ihr Möglichstes tun, die Gringos zu verstehen – auch wenn sie sich insgeheim über die steigenden Mieten und das abnehmende gewohnte soziale Gefüge ärgern, die die Eindringlinge mit sich bringen.

Ein nie da gewesenes Momentum

Das weltweite Image von Mexiko City ist schon länger im Höhenflug, kaum etwas erinnert an die Zeiten, als die Stadt als verkommen und gefährlich galt. Heute ist die mexikanische Kapitale so sicher wie jede andere Großstadt, dazu selbst- und stilbewusst, offen und tolerant, fröhlich und ausgesprochen genussfreudig. Dass es während der Covid-Pandemie so gut wie keine Beschränkungen gab, hat ihr einen zusätzlichen Schub beschert – junge Leute, freiberufliche Kreative und digitale Nomaden kamen erst vorübergehend, viele sind dann einfach geblieben. Doch vor allem ist es die Küche, die Mexico City ein noch nie da gewesenes Momentum beschert – Küchenchefs wie Enrique Olvera, dessen Pujol schon seit fast einem Jahrzehnt als Top-Restaurant des Landes gilt oder Elena Reygadas, dessen 2010 eröffnetes Flagschiff Rosetta ihr einen Platz unter den Top-Köchinnen der mexikanischen Gastronomie sicherte, werden jetzt endlich auch international bekannt und anerkannt. 

Scharfe Aguachiles davon lässt man als Europäer lieber die Finger 

Jorge Vallejo ist ein Star der lokalen Gastro-Szene. Er konzentriert er sich auf sein Restaurant Quintonil, das ein Stadtpalais mit pistaziengrüner Fassade im schicken Stadtteil Polanco bespielt. „Ich glaube, meine Gäste schätzen es, dass ich selbst in der Küche stehe und auch mal persönlich mit einem Gang an den Tisch komme“, sagt der Küchenchef. Das mit viel Holz und Kunst gestaltete Interieur ist modern und elegant, wer möchte, kann am Marmortresen mit Blick in die Küche sitzen. Auf die Tische kommen essbare Kunstwerke, mit Blumen garniert, in grüne Blätter gehüllt, wagemutig übereinandergeschichtet oder so gekonnt gegrillt, dass ein paar ausgewählte Stellen verkohlt sind.

„Ich möchte mit meinen Gerichten unser Land erzählen“, sagt Jorge Vallejo, und den Menschen, die in der Landwirtschaft, der Fischerei oder der Getreideproduktion tätig sind, eine Stimme geben“. Doch Mexiko ist groß und die Vielfalt an Zutaten und Zubereitungen endlos – die Geschichte ist noch lange nicht zu Ende erzählt.


Restaurants

Rosetta: In mehreren Räumen und auf der Terrasse eines zauberhaften Stadtpalais an der schicken Colima-Strasse werden Elena Reygadas modern interpretierte mexikanische Gerichte serviert. Um das Angebot saisonaler Zutaten von kleinen Erzeugern wahrnehmen zu können, wechselt die Speisekarte fast täglich. Zu den Evergreens gehören die fermentierten Karotten mit weißer Mole und die Hoja-Santa-Tortelloni mit Quesillo-Käse. rosetta.com.mx

Pujol: Enrique Olvera wurde wiederholt zu einem der weltbesten Köche gekürt, hat Bücher veröffentlicht und Restaurants in New York und Los Angeles eröffnet. Inzwischen konzentriert er sich auf kreative Fisch- und Gemüsegerichte, neuerdings bietet er sogar ein ziemlich spektakuläres Taco-Omakase-Menü. Wer es ausprobieren möchte, sollte ein paar Monate im Voraus buchen. pujol.com.mx

Hotels

La Valise: Das charmante, zu Small Luxury Hotels of the World gehörende „hotel particulier“ residiert in einem historischen Stadtpalais in bester Roma-Norte-Lage. Stammgäste lieben den privaten Charakter des Hauses und die völlig unterschiedlich mit mexikanischen Antiquitäten gestalteten acht Suiten, alle mit schönen Bädern, manche mit privater Terrasse. Gefrühstückt wird im zum Hotel gehörenden Café gleich nebenan. DZ ab 369 Euro. lavalisecdmx.com

Casa Polanco: Die spanisch anmutende Villa im wohlhabenden Stadtteil Polanco bietet 19 elegante Zimmer und Suiten, die mit Stuck, schokofarbenen Parkettböden und Fenstertüren, die nachts offenbleiben können, punkten. Dazu: perfekter Service, eine schöne Bibliothek, ein paar Sitzplätze im Garten, ein feines Frühstück sowie jeden technischen Schnickschnack, den der Reisende so braucht. casapolanco.com, DZ ab 500 Euro. casapolanco.com

Veranstalter

Windrose ist auf hochwertige Individualreisen spezialisiert und hat Mexico City im Programm. Organisiert werden Flüge, Hotels und Transfers sowie geführte kulinarische Stadtrundgänge, Kochkurse und Treffen mit Küchenchefs. Möglich sind auch Anschluss-Destinationen wie Yucatan oder Baja California. windrose.de