Burgund genießen leicht gemacht 

Wenn sich große Lust auf gute Weine und eine gehörige Portion Appetit im Reisegepäck befinden, empfiehlt sich ein Ausflug in die Gegend um Beaune im Burgund. Hier Ihr kleiner Gault&Millau-Leitfaden für frankophile Genussmenschen. 

Doch halt! Nehmen wir einen Aperitif doch schon dort, wo das Burgund diesseits der Grenze beginnt – am Kaiserstuhl. Genauer gesagt in den langen Stollen, die Franz Keller sen. in das Vogtsburger Vulkangestein getrieben hat. Da lagern bei konstanten elf Grad die besten gereiften Burgunder, die deutschlandweit zu haben sind, und warten darauf, von Sommelière Melanie Wagner kundig im Schwarzen Adler – oder, in unserem Fall, in der grandios in den Weinberg eingegrabenen „Kellerwirtschaft“– entkorkt zu werden, während Martin Fauster dazu kleine und große Kunst- und Fleischstücke aus seiner französisch inspirierten Küche serviert, die hier eine formidable Interimsheimat gefunden hat. Patron Fritz Keller führt anekdotenreich durch seinen Kellertempel und weiß zu berichten, dass schon sein Vater Franz Weine „wie im Burgund“ machen wollte – die Kombination aus seinem 2018er Achkarrer Schlossberg und einem 1981er Echezeaux von Ropiteau liefert dazu den schlagenden Beweis. 

Entsprechend inspiriert und motiviert meistern wir am nächsten Morgen die drei Stunden Fahrt zu der unscheinbaren Hügelkette um Beaune – und begeben uns mitten ins schönste Understatement. 

Denn die Bourgogne tut noch immer so, als wäre sie eine bäuerliche Region, unbeschadet der Tatsache, dass hier für eine kleine Parzelle oberhalb der Route D974 Preise bezahlt werden, die der ersten Baureihe am New Yorker Central Park alle Ehre machen würden. Dazu muss die Lage nicht einmal Romanée-Conti heißen (es sind übrigens nicht einmal zwei Hektar) – auch für die Abfüllungen der benachbarten Flächen, wie etwa denen von Monsieur Méo werden Preise aufgerufen, für die man bei Deutschlands größtem Weinhändler den halben Laden einpacken könnte.  

Nach ersten Fassproben in Vosne-Romanée empfiehlt sich ein erster Imbiss, zum Beispiel in der intimen „Ma Cuisine“ im Herzen von Beaune. Getrüffeltes Kalbsbries, fein gewürzte Escargots oder Jambon persilée lassen sich dort mit Preziosen aus einer Weinkarte herunterspülen, die erahnen lässt, dass der Keller erheblich größer sein muss als das Restaurant selbst.  

Derart gestärkt laufen wir ein paar Meter zur herrschaftlichen Domaine Chanson, in der schon Voltaire einkaufte und die heute über 100 Appellationen vermarktet. Unsere Empfehlung: der Premier Cru Pernand-Vergelesses „Les Caradeux“, der der benachbarten Lage Corton Charlemagne kaum nachsteht und für vergleichsweise kleines Geld zu haben ist. Die Entfernungen sind nicht groß im Burgund, und so bauen wir noch einen Abstecher zur Domaine Rossignol-Trapet in Gevrey-Chambertin ein, wo der sympathisch-bescheidene Monsieur Rossignol seine kräftigen und doch ungemein harmonischen Weine wie den Petite Chapelle streng nach Demeter-Richtlinien herstellt – mit herausragenden Ergebnissen. Rossignol-Trapet ist auch eines der wenigen Spitzenweingüter, in denen es mit etwas Glück gelingen mag, eine Flasche direkt vor Ort zu erwerben. Denn sollten Sie bei einem guten Winzer an einer Probe teilnehmen dürfen, heißt das noch lange nicht, dass Sie auch Wein einkaufen können – der ist oft genug auf Jahre hinaus subskribiert, gerade 2021 mit Maifrost und reduzierter Ernte. Da hilft es nur, sich in Beaune in das Bistrot de l’Hotel zu begeben, aber Achtung: Das Studium der Weinkarte kann den Abend ausfüllen. Alleine die Bouteillen der Domaine de la Romanée-Conti sind mit 44 Positionen auf der Karte gelistet – mit Flaschenpreisen vom günstigen Gebrauchtwagen bis hin zum neuen Golf. Der reine Genuss der Lektüre wäre auch allzu schade, denn die Präzision und Geschwindigkeit, die das Servicepersonal beim Tranchieren einer Bresse-Poularde an den Tag legt, ist ebenso atemberaubend wie deren Genuss. 

Der nächste Tag beginnt entspannt mit einem Bummel durch das quirlige Städtchen: Günstige Kupfertöpfe aus Restaurantauflösungen finden beim Brocante an der Place Carnot ihre Abnehmer, ebenso wie die feine Käseauswahl von Alain Hess. Der Markt mit frischestem Gemüse, Austern, jedweder Form feinsten Geflügels und Terrinen vor dem Hotel-Dieu ist der perfekte Ort, um eine Träne über die deutsche Esskultur zu verdrücken und sich für ein späteres Picknick adäquat einzudecken. Den Wein dazu sollten Sie direkt im sehenswerten, 1443 gegründeten Hospice de Beaune zu vergleichsweise günstigen Tarifen kaufen – so manch herausragende Parzelle in der Gegend wurde dem Pflegeheim aus Dankbarkeit vererbt und kenntnisreich kultiviert. Kommen Sie passend zur berühmten Wohltätigkeits-Versteigerung, immer am 3. Sonntag im November, können Sie die Weine auch gleich fassweise erwerben, sollten sich dazu allerdings in weite Spendierhosen kleiden – bei der 2021er Auktion fiel der Hammer für das beste Fass erst bei 800.000 Euro. 

Normale Jeans reichen dagegen für einen Besuch in Meursault aus, zumindest bei Winzern ohne ganz große Namen, aber mit ganz großen Qualitäten wie etwa Alain Javillier. Mit ihm gehen wir zum Mittagessen ins unscheinbare Hotel du Centre und genießen eine ehrliche, tadellos zubereitete ländliche Küche. Dazu finden sich Weine wie ein Charmes-Chambertin von Armand Rousseau aus dem optimal trinkreifen Jahr 2017 oder ein wunderbar samtiger 2014er Grands Echezeaux von Goerges Noellat auf der Karte. Die Wirtin rät Ihnen gerne auch einmal von einem Wein ab, wenn sie der Meinung ist, es handle sich um einen gerade weniger empfehlenswerten Jahrgang. So geht Gastfreundschaft.  

Ohne eine kurze Fahrt in eine weitere berühmte Weißregion des Burgunds sollte der Ausflug nicht enden: Ein Katzensprung von Beaune ist es zur Domaine Pavelot in Pernand-Vergelesses, deren ausdrucksstarker Corton-Charlemagne noch bis zum abendlichen Picknick in der von der freundlichen Inhaberin des einfachen Hotel Le Home überlassenen Küche nachhallt, in dem die Einkäufe des Morgens einen letzten, genussreichen Abend einleiten. 

Unsere Genussadressen:

WINZER  

Weingut Franz Keller mit KellerWirtschaft  
Badbergstr. 44  
79235 Vogtsburg im Kaiserstuhl  
T +49 7662 93300  
www.franz-keller.de  

Domaine Chanson  
10 Rue Paul Chanson  
F 21200 Beaune  
T +33 380 259797  
www.domaine-chanson.com  

Domaine Rossignol-Trapet  
4 Rue de la Petite Issue  
F 21220 Gevrey Chambertin  
T +33 380 518726  
www.rossignol-trapet.com  

Domaine Javillier Jean & Fils  
6 Rue Charles Giraud  
F 21190 Meursault  
T +33 380 212461  
www.vins-biologiques.org  

Domaine Pavelot  
6 Rue du Paulant  
F 21420 Pernand Vergelesses  
T +33 380 261365  
www.domainepavelot.com  

RESTAURANTS    

Restaurant und Hotel Schwarzer Adler  
Badbergstraße 23  
79235 Vogtsburg im Kaiserstuhl  
T +49 7662 9330 10  
www.franz-keller.de  

Bistro de L’Hôtel  
3 Rue Samuel Legay  
F 21200 Beaune  
T +33 380 259410  
www.lhoteldebeaune.com/bistro 

Ma Cuisine Passage  
Sainte-Hélène  
F 21200 Beaune  
T +33 380 223022  
www.macuisinebeaune.com 

HOTELS    

Hotel Le Home  
138 Route de Dijon  
F 21200 Beaune  
+33 380 221643  
www.lehome.fr  

Hôtel du Centre  
4 Rue Mar de Lattre de Tassigny  
F 21190 Meursault  
T +33 380 212075  
www.hotel-du-centremeursault.com 

KULINARIK  

Fromagerie Alain Hess  
7 Place Carnot  
F 21200 Beaune  
T +33 380 247351  
www.fromageriealainhess.com  

  

Hospices de Beaune / Hôtel-Dieu  
Rue de l’Hôtel-Dieu  
F 21200 Beaune  
T +33 380 244500  
www.hospices-de-beaune.com 

Text & Foto: Jochen Rädeker 

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