Sechs Top-Adressen aus dem Gault&Millau Restaurantguide 2021
Mit Fisch ist es hierzulande so eine Sache. Während Italien, Spanien oder Frankreich meerumspült seit Menschengedenken die herrlichsten Delikatessen aus dem Wasser ziehen, beschränkt sich der deutsche Beitrag zum europäischen Genusskulturerbe in der Disziplin „Fisch und Meeresfrüchte“ auf Bismarckhering, Krabbenbrötchen, fette Karpfen sowie — als küchentechnischem Höhepunkt — Scholle Finkenwerder Art. Zu den segensreichsten Wirkungen der kulinarischen Globalisierung gehört die Versorgung mit herausragenden Produkten, mit irischen Austern, bretonischem Steinbutt oder Kaisergranat von den Färöern … Wie gut, dass es in Deutschland vom Bodensee bis an die Nordseeküste inzwischen jede Menge Küchenchefs gibt, die fabelhaft damit umgehen können. Und sogar den ein oder anderen, der sich ernsthaft mit dem lokalen Angebot auseinandersetzt. Hier sechs exemplarische Beispiele in bunter Mischung – ein kleiner Auszug aus dem Gault & Millau Restaurantguide Deutschland 2021.
Ein Stück topfrischer Fisch und so wenig wie möglich dazu – dieser Traum von Purismus wird hier erfüllt. Die Fische aus der großen Vitrine kommen garantiert unverfremdet auf den Teller, vom kleinen Doradenfilet für den Solo-Esser bis zum Fünf-Kilo-Steinbutt für eine Gruppe. The Duc Ngo, der von hier aus all seine Berliner Restaurants mit Fisch beliefert, bietet außerdem noch ein paar modische Zugaben wie Ceviche, Poke Bowls und Buns, überdies Salate mit Fisch und Tempura-Varianten. Viele gute, bezahlbare Weine.
Ausgezeichnete Empfehlung
10625 Berlin, Kantstraße 135–136
T +49 (0) 163 9382 215
www.funky-fisch.de
Die attraktivste und kulinarisch anspruchsvollste Terrasse am Bodensee! Direkt am Wasser, unterhalb der schönen Wallfahrtskirche Birnau – wie bequem und lukrativ könnten es die Brüder Markus und Thomas Gruler mit einer solchen Location wohl haben. Stattdessen machen sie möglich, was vielerorts mit Blick auf den See undenkbar erscheint: fangfrischen Fisch direkt von dort, also nicht aus Aquakultur & Co, in köstlicher Zubereitung zu essen. Küchenchef und Patron Markus Gruler bürgt als passionierter Fischer für erstklassige Ware. Geräucherter Bodensee-Aal auf Kartoffelschaum als fulminantes Amuse-Bouche, gefolgt von sanft gesalzenem Felchen-Matjes mit Sauerrahm, Apfel und Radieserl, danach ein leicht glasig auf den Punkt gegartes Filet von der Seeforelle oder ein Bäckchen vom kapitalen Wels mit einer geschmackstarken, aber bekömmlich leichten Molke-Beurre-blanc, so kann hier eine Menüfolge aussehen. Markus Grulers klassisches Verständnis für harmonische Teller reicht allerdings über den See hinaus, er läuft auch bei Schäufele vom Linzgau-Reh mit handgeschabten Spätzle und ganz besonders bei Innereien zur Höchstform auf, weswegen ein feines Kuttelgericht als Zwischengang eigentlich nicht fehlen darf. Aber alles, inklusive Seeblick, wäre nichts ohne den so aufmerksamen wie liebevollen Service unter der Leitung von Thomas Gruler. Dazu kommt große Weinkompetenz und folglich eine klug zusammengestellte, rein europäische Auswahl vom Bodensee Rotling über große Riesling-Gewächse bis zum kultigen Burgunder. Alexander Steimer lässt als zurückhaltender, aber umso präziser empfehlender Sommelier die vielen Gäste begeistert an diesem Schatz teilhaben, und das für einen solchen Platz zu unerwartet moderaten Preisen. Wo sonst bekommt man einen hervorragenden Champagner, gastfreundlich offen eingeschenkt, zu zehn Euro angeboten?
16 | 20
88690 Uhldingen-Mühlhofen, Maurach 1
T +49 (0) 7556 92210
www.seehalde.de
Das Bistro in der Großen Elbstraße schlägt eine Brücke von der aufgehübschten Hafengegend zu ihrer Vergangenheit. Einerseits bekommt man hier, bei einem der besten Hamburger Fischhändler, erstklassige Ware von den Syltern Austern bis zum obligaten halben Hummer. Andererseits geht es hier, wohl auch dank der „Outlet“- Preise, noch angenehm handfest zu. Dem Weißwein wird tüchtig zugesprochen. Der Service kümmert sich mütterlich und wählt im Zweifel das „Du“. Von der Karte wählt man am besten die schnörkellosen Zubereitungen der klassischen Edelprodukte. Dass der Hummer taugt, ist Ehrensache. Es lohnt, nach dem norwegischen zu fragen, so etwas nimmt hier keiner krumm. Von den Plätzen im Obergeschoss hat man noch einen Rest Hafenblick, der leider zunehmend verbaut wird. Falls mal wieder alle Tische besetzt sind: Die Küche macht auch frische Fischbrötchen zum Mitnehmen.
Ausgezeichnete Empfehlung
22767 Hamburg, Große Elbstraße 152
T +49 (0) 40 522 9939 26
www.hummer-pedersen.de
Victor’s Fine Dining by Christian Bau
Wir reisen nicht ohne Skrupel in den äußersten Westen der Republik, hat Christian Bau sich über die Jahre doch – was unserem Eindruck nach auch im Kollegenkreis weithin anerkannt wird – einen Ausnahmerang erkocht. Auch wir kommen nach zahlreichen erinnerungswürdigen Besuchen in den Vorjahren nicht umhin, festzuhalten: Die Latte liegt extrem hoch. Je klarer die Handschrift eines Koches ist, je einprägsamer und maßgeblicher seine Küche, desto leichter werden Erwartungen enttäuscht. Bau scheint sich dieses Problems bewusst zu sein. Der Einsatz, der hinter seiner Arbeit steht, lässt nicht nach. Immer noch merkt man ihm das selbstquälerische Bemühen um Perfektion an, den Leistungsdruck, unter den er sich setzt. Das beginnt bei seinem Streben nach kompromissloser Spitzenqualität seiner Zutaten. Sie bilden neben der akribisch-komplexen Technik bei ihrer Verarbeitung und den herausragend intensiven Geschmacksbildern, die Bau in jedem seiner immer ausgereifteren Gerichte anstrebt, den Kern seiner Philosophie. Beispielhaft der erste Teller unseres jüngsten Menüs, „Japanische Meeresbrise“: Kampachi, jodige Aromen, Soba Shiro Tamari. Ein Bau-Klassiker. Als Erstes fällt neben der eleganten, fast beiläufigen Präsentation – im Zentrum ein Streifen „grüner“ Elemente, rechts und links drei dicke, glänzende Scheiben von der Gelbschwanzmakrele, darauf jeweils eine Kaviarnocke – die kluge Proportionierung auf: Man kann sich in diesen Teller versenken, seine unterschiedlichen Aspekte einzeln oder in Kombinationen konzentriert erschmecken, die faszinierend schillernde Komplexität der Aromen erleben. Der Kaviar, das säuregebeizte Sashimi von hinreißendem Schmelz, die nussig-zarte Eleganz der sanft pochierten Gillardeau-Austern-Scheiben wären schon für sich genommen, ganz pur, ein seltener Hochgenuss. In ihrer Verbindung mit den komplex jodigen Aromen verschiedener Meereskräuter – unter anderem Passepierre, Meeresfenchel, Salty Fingers – sowie verschiedenen Gurkentexturen, einem akzentuierenden Ponzu-Gel, harmonisierender Austerncreme, geeisten Planktonperlen sowie Soba-Shiro-Tamari-Marinade und Daikonöl entfaltet sich ihre gesamte geschmackliche Pracht und Komplexität, spiegelt tatsächlich die unergründlich feine, frische Aromatik einer zarten Meeresbrise. Ähnliches ließe sich über die anderen Gänge des Menüs sagen. Das reine Glück einiger lauwarmer Medaillons von der Königskrabbe auf einem Salpicon vom Blue-Fin-Toro mit sanft gestocktem Rührei, Kaviar und einer Marinade aus Buttermilch-Dashi mit Koriander-, Daikon- und Schnittlauchöl! Der feinherb-fruchtige Pomelo- und vegetabil-frische Kräutersalat-Akzent zur Artischocke in einem halben Dutzend Texturen als Kontrast zur erdigen Umami-Grundierung durch Schwarze Trüffel, Walnuss und Parmesan. Die schier unfassbare Qualität der Langoustine royale, über Binchotan-Kohle gegrillt und mit weißem Miso karamellisiert, mit ihrer Jus aus Langustenköpfen zu Blumenkohl-Couscous mit Kombu und Yuzu-Schale… Die Beschreibungen sind unzureichend. Man muss diese ausgereifte Küche erlebt haben, im Glas sensibel und kenntnisreich begleitet dank der famosen Nina Mann, unserer Sommelière des Jahres 2020!
19,5 | 20
66706 Perl, Schlossstraße 27–29
T +49 (0) 6866 79118
www.victors-fine-dining.de
Die Fischzucht hier im hintersten Winkel des Buhlbachtals hat Tradition seit 1908, aber das Schwarzwaldhaus mit Walmdach und Glockentürmchen wurde erst vor wenigen Jahren errichtet, als die Hoteliersfamilie Bareiss den Betrieb übernahm. Man sitzt an großen Tischen, kann den Fischen in den Zuchtbecken zusehen, riecht den Duft der Räucherkammer. Auf der Karte dominieren Forelle und Saibling, die Forelle gibt es blau, nach Müllerin Art, geräuchert oder auf Flammkuchen. Und schwäbische Klassiker (Maultauschen!) bekommt man hier auch.
Ausgezeichnete Empfehlung
72270 Baiersbronn, Schliffkopfstraße 64
T +49 (0) 7442 470
www.bareiss.com
Klar eines der besten japanischen Restaurants von München – in der Gesamtschau: vielleicht sogar das Beste. Gerade wegen seines reduzierten Angebotes. Taufrisch das Sashimi auch bei unserem jüngsten Besuch, knackig die Dorade (ganz kurz in Salzwasser mariniert), süß und fest die Jakobsmuschelstücke, herausragend die drei Tunfisch-Qualitäten. Besserer Akami, als wir ihn hier in der aktuellen Testsaison verkostet haben, ist hierzulande nicht zu bekommen! Flug und von feiner Süße das Tamagoyaki (gerolltes Omelette), schaumig-zart die Verbindung von Tunfisch und geriebenem Yams, würzig und
zart der ausgebackene Agedashi-Tofu in seinem Umami-satten Sud, knusprig das Noriblatt zum fast süßen Tintenfisch in vergorenen Sojabohnen. Sushi steht im Kaito im Mittelpunkt, am Reis erkennt man den Meister – hier ist er von perfektem Biss und feiner Würze; die Fische zudem in makelloser Frische perfekt geschnitten. Das sicherste Zeichen für Qualität: um uns herum nur japanische Gäste in bester Stimmung, zu letzterer trug erkennbar das sorgfältig ausgewählte Sake-Angebot aus großen Flaschen bei. Wie üblich empfiehlt es sich, statt der angebotenen Verlegenheitsdesserts dem japanischen Vorbild zu folgen und zur abschließenden Misosuppe etwas hausgemachtes (!) Tsukemono (eingelegtes Gemüse) zu knuspern.
15 | 20
80333 München, Gabelsbergerstraße 85
T +49 (0) 89 5205 9455
www.kaito-restaurant.com
Weitere Empfehlungen finden Sie im „Gault & Millau Restaurantguide 2021“.
Text: Christoph Wirtz
Foto: ddp images