Die besten Erzeuger Deutschlands: Altmühltaler Kernstodl
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TEXT Nick Pulina | FOTOS Altmühltaler Kernstodl
Imposant erhebt sich der quaderförmige Turm der Burgruine über der beschaulichen Marktgemeinde Wellheim im Urdonautal. Zum Naturpark Altmühltal gehörend, ist die Region nicht nur bei Outdoor- und Wassersportlern beliebt, sondern auch ein beliebtes Reiseziel für kulturell interessierte Wanderfreunde, die sich an den einzigartigen Landschaften erfreuen wollen. Und auch für passionierte Genießerinnen und Genießer finden sich zahlreiche Adressen, die sich auszukundschaften lohnen. Eine der spannendsten hiervon ist fraglos das Altmühltaler Kernstodl von Familie Hiermeier. Hier, im Schatten der alles überblickenden Burg Wellheim, finden besondere Speiseöle höchster Qualität und Aromenvielfalt den Weg in die Flasche. Für uns gehört das Kernstodl zu den besten Erzeugern Deutschlands.
Langsam dreht sich die dornenbesetzte Walze des ‚Igels‘ über die fein säuberlich aufgereihten Fruchtkörper, sticht einen nach dem anderen auf und hebt ihn eine Etage höher, wo er aufgebrochen und von den Samen getrennt wird. Oben auf dem Traktor sitzt Markus Hiermeier und steuert die Maschine behände vorwärts. Was auf den ersten Blick ein wenig martialisch klingt, ist nichts weiter als Ernteverfahren für seine Kürbisse. Orange-grüne Ölkürbisse sind es, natürlich eine steirische Sorte. Zwar gilt „Steirisches“ in Kennerkreisen noch immer als Synonym für leuchtend grünes, intensiv schmeckendes Kürbiskernöl, doch die Hiermeiers beweisen mit ihren im bayerischen Wellheim gelegenen Kernstodl, dass hochwertiges Kürbiskernöl auch aus heimischen Gefilden kommen kann. Doch das war nicht immer so.
Als Markus Hiermeier im Jahr 1994 den Hof von seinem Vater übernahm, war er gerade einmal 19 Jahre alt. Die Geschichte des Familienbetriebs reicht weit zurück und verliert sich irgendwo im späten 18. Jahrhundert. Wahrscheinlich sind die Hiermeiers sogar schon länger in Wellheim ansässig, es hat nur niemand aufgeschrieben. Markus’ Urgroßvater hatte auf dem Hof noch Landwirtschaft mit dem Betrieb einer Schmiede kombiniert, dessen Söhne die zwei Unternehmenszweige dann aber aufgeteilt. „Als ich eingestiegen bin“, sagt Markus Hiermeier, „lag unser Fokus noch sehr auf Viehbetrieb, hauptsächlich mit Milchkühen. Wir waren aber schon immer offen für Neues. Mit der Zeit wurde aber immer deutlicher, dass mit der Milchwirtschaft und etwas Ackerbau nicht mehr allzu viel zu holen waren. Wir hatten inzwischen zwei Söhne bekommen, die großes Interesse an der Landwirtschaft gezeigt haben, sodass der Betrieb auch in der nächsten Generation überlebensfähig bleiben sollte. Also haben wir uns eine Nische gesucht.“
Gemeinsam mit Frau Sylvia und den Söhnen Niklas und Kilian ging es 2016 in die erste Kürbisernte – mit Erfolg! Inzwischen haben sich zu den Kürbissen noch zahlreiche andere Pflanzen gesellt, aus deren Samen und Saaten die Hiermeiers erstklassige Öle pressen, Sonnenblumen zum Beispiel, Hanf und sogar der in Deutschland nur äußerst selten angebaute Mohn. Durch die schonende Pressung auf dem eigenen Hof wird auch in diesem vielleicht entscheidendsten aller Produktionsschritte die absolute Kontrolle über das Produkt bewahrt. Während das meiste Pressgut über eine Schneckenpresse bei 40 °C schonend abgepresst und dann ohne Raffination abgefüllt wird, kommt den Kürbiskernen eine Sonderbehandlung zu: „Erst einmal mahlen wir die Kerne“, fasst Markus Hiermeier zusammen. „Danach werden sie mit Wasser und etwas Salz zu einer Art Brei vermengt und so lange bei 70 °C geröstet, bis das Wasser wieder verdampft ist. Das dauert knapp eine Dreiviertelstunde. Durch das Salz und die Wärme lösen wir die Mineralstoffe aus den Kernen, das machen wir wie in der Steiermark. Es braucht beim Kürbis eine gewisse Temperatur, unter der das Öl gar nicht aus den Kernen läuft. Die meisten Vitamine halten das problemlos aus.“
Und das Produkt gibt ihm recht. Schon während das Öl smaragden schillernd aus der Flasche läuft, umgibt es ein intensives, hinreißend-kerniges Aroma. Das Mundgefühl ist zart und seidig, die geschmackliche Vielfalt allerdings hat Kraft, gibt immer wieder neue Nuancen frei und hallt noch lange am Gaumen nach. So schmeckt Qualität – das wissen auch die Kunden. Sowohl in die Gastronomie gehen die Öle, vor allem zu Bäckerinnen und Bäckern, die mit ihnen spannendes Backwerk produzieren, als auch an qualitätsbewusste Endkund:innen. Diese können entweder im Hofladen oder dem eigenen Onlineshop zuschlagen. Auch einige Feinkostläden und inhabergeführte Supermärkte führen die Produkte vom Kernstodl.
Um deren kompromisslose Qualität zu gewährleisten, kontrollieren die Hiermeiers jeden einzelnen Produktionsschritt. „Bei uns kommt alles aus einer Hand“, sagt Sylvia. „Uns ist es wichtig, dass das Produkt Zeit bekommt, um sich zu entfalten. Es geht uns nicht um die Masse.“
„Deshalb pressen wir auch immer nur kleine Mengen“, ergänzt ihr Mann. „Wir machen uns lieber ein bisschen mehr Arbeit, können dafür aber immer ein frisches Öl anbieten. Technisch gesehen ist das auch nach eineinhalb bis zwei Jahren Lagerung noch gut genießbar, aber die Aromen gehen natürlich irgendwann zurück. Unsere Kunden sollen möglichst lang etwas von ihrem Öl haben.“
Seit der letzten Ernte im Jahr 2022 ist das Altmühltaler Kernstodl nun auch offiziell bio-zertifiziert. Doch wer genauer hinhört und hinsieht, merkt schnell, dass es den Hiermeiers nicht nur um das Sammeln von Zertifikaten geht. Sie brennen für ihren Hof, für ihre Landwirtschaft und für ihr Produkt. Wenig wundert es also, dass dieser Funke auch auf die beiden Söhne übergesprungen ist. Dass sie eines Tages den Hof übernehmen wollen, scheint außer Frage zu stehen. Der 22-jährige Niklas ist bereits in einem Landwirtschaftsstudium angekommen, für seinen 18-jährigen Bruder Kilian geht es bald los. Auf dem elterlichen Hof packen die beiden natürlich auch schon jetzt behände an, wann immer es etwas zu tun gibt. Und das gibt es in Anbetracht der gepflanzten Vielfalt auf den Äckern eigentlich immer. In Kürze soll das Sortiment um ein Senföl und ein Schwarzkümmelöl ergänzt werden, auch die Produktion von Lein- und Sojaöl ist angedacht. Doch egal, welche Produkte noch kommen werden, welche Pflanzen noch gesät und welche Öle noch gepresst, ein Satz von Sylvia Hiermeier ist und bleibt leitmotivisch für das gesamte Tun und Schaffen des Familienbetriebs: „Was einem selber nicht schmeckt, verkauft man auch nicht.“