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TEXT | FOTOS Hans Fink, Villa Hundert
Ein Besuch im Schweizer Engelberg bei zwei sympathischen Schweden, die in ihrer Villa Hundert spektakuläre Gerichte auf den Teller zaubern.
Vergangene Woche haben wir bereits über Engelberg berichtet. Heute nehmen wir Sie im zweiten Teil der Reise mit in die Villa Hundert: ein Gästehaus, das sehr behutsam renoviert wurde. Es gibt Meeting Rooms, eine stilvolle Lounge und viele charmante Zimmer-Pretiosen. Wohnen kann man hier sehr stilvoll, abgeschieden vom Trubel und doch mitten im Zauber des Ortes. Aber der wichtigste Raum? Die Küche.
Christian Brangenfeldt steht in der Lobby des Kempinski Engelberg mit einem Outfit, das ihn direkt in tiefste winterliche schwedische Wälder führen könnte, sein Blick ist etwas hektisch, suchend. Er soll mich abholen, wir haben einen ausgedehnten Vormittag ausgemacht, an dem ich ihn und John Jezewski treffe. Wir wollen gemeinsam die Gerichte kosten, die in der Villa Hundert gezaubert werden.
Der erste Eindruck: Ein stattlicher Wikinger
Ich stolpere von der Hoteltreppe in diesen schwedischen Schrank, ein stattlich freundlicher Wikinger ohne Kampflust. Er ist mir von Anfang an sympathisch, er hat eine Freude, die ansteckend wirkt. Schnell die letzten Treppen runter, sind ja ein paar bei einer solch herrschaftlichen Hotel Residenz, und in den Klein-Transporter, in dem mich John begrüßt, der zweite des Schweden-Duos, das, wie ich den ganzen Tag feststellen darf, nur als Pat und Patachon funktionieren kann und muss. Ihr schwedisches Deutsch ist bezaubernd schweizerisch geprägt, aber wir entscheiden uns sehr schnell, dass wir Englisch sprechen. Das bedeutet nicht, dass die beiden nicht vollkommen, nicht nur sprachlich, in Engelberg geerdet sind. Auf der Bergstraße hinauf zu ihrer Villa Hundert müssen die Autos passieren, jeder höflich wartend auf den anderen. Es wird gegrüßt, und ich bin mir schon da sehr sicher, dass die beiden mit Engelberg gut verwoben sind.
Verrückte Kerle: Ein Blick hinter die Kulissen
Verrückte Kerle schreibt Urs Heller, Chef des Schweizer Gault&Millau, über die beiden. Was ist verrückt? Ich habe nicht erwartet, dass mich dieser späte Vormittag so in den Bann zieht. Verrückt ist manchmal nur, nicht in der Norm zu sein und damit etwas ganz anders zu machen. In der Kunst wäre es ein Prinzip, das die Deutung herausfordern würde und vielleicht den Genormten den Spiegel vorhalten würde. So weit will ich hier nicht gehen. Aber: Was die Beiden auf sich genommen haben, um einen Traum zu verwirklichen, ist verrückt richtig. Unsere Kollegen in der Schweiz schreiben in der gerade aktualisierten Bewertung: „Sie kochen in der alten «Villa Hundert» hoch über Engelberg sehr nordisch, sehr selbstbewusst und sehr eigenwillig. Ihr Fanclub wächst. Immer mehr Gäste entdecken das Boutique-Hotel im Grünen. Und immer mehr Berufskollegen checken ein, verlassen das Revier der beiden sympathischen Schweden ziemlich beeindruckt. Das sind wir auch und korrigieren die wohl etwas strenge Eintrittsnote gern nach oben“. Das neue Rating: 3 Hauben!
Die Villa Hundert: Ein Ort der Inspiration
Was machen die beiden so richtig? Fangen wir bei der Villa Hundert an: einem Gästehaus, das sehr behutsam renoviert worden ist. Man findet dort immer noch die Sechziger-Tür-Klinken, die Fliesen und manch andere Relikte, alle dürfen zu Recht darauf pochen, als Sechziger-Originale erkannt zu werden. Das hat auch die beiden nicht gestört, sie haben klugerweise solche Bestandteile erhalten und kombiniert mit neuen Elementen, wie Design-Lichtschaltern und einer stylischen Möbel-Einrichtung. Es gibt Meeting-Rooms, eine tolle Lounge und eine Menge an schönen Zimmer-Pretiosen. Wohnen kann man hier sehr stilvoll, in einer bezaubernden Abgeschiedenheit des Ortstrubels. Bei der Hausführung steige ich dann mit Christian hinab in den Keller. Verheißungsvoll versprach er mir, zu den wichtigsten Räumen zu kommen – und da lagen sie, die Aufbewahrungsstätten für die fermentierten Gemüse, die besonders sortierten Schweizer Weine unter Christians Obhut, die getrockneten Kräutern und die vielen Einmachgläser mit den Koch-Pretiosen, die John für seine besonderen Gerichte braucht. Wenn wir über die Villa Hundert schreiben, dann müssen wir in die Küche – und da gehen wir nun hin.
Der Zauber in der Küche: Kulinarische Meisterwerke
Die Gerichte, die John zaubert, sind besonders. Der Start war wie Müsli, aber ganz anders. Roher Gotthard-Zander mit eingemachten Beeren, geröstete Dinkelmilch. John zauberte diesen wunderbaren Anfang aus rohen Zanderscheiben, mit Zucker und Salz eingemachte unreife Stachelbeeren und Johannisbeeren, hausgemachte Rosinen aus Trauben von Großmutter Bennis Terrasse in Ennetbürgen, geröstete Dinkelmilch, Dinkelöl und Dinkelkörner. Was mich gänzlich begeistert hat und eine neue Erfahrung war: Sonnenblumen-Herzen. Alle Teile der Sonnenblume kamen auf den Teller, was für ein Genuss. Wir aßen ein gegrilltes Sonnenblumenherz, glasiert mit einer Sonnenblumenglasur aus allen Bestandteilen der Sonnenblume, Sonnenblumenblütenemulsion, geröstete Sonnenblumenkerne, in Sonnenblumenbutter gekochtes Sonnenblumenmark, Stängel, Samen und Blätter der Kapuzinerkresse aus dem Garten. Danach gab es Krebsfisch in einer Krebssuppe, enzymatisch fermentierter Knoblauch, dunkles Malz und Pflaumen. Das Hirschfilet mit Hirschleberpastete, in Butter gebraten, garniert mit fermentierten schwarzen Johannisbeeren und frischen Jalapeños war ebenso ein zartes, vielschichtiges Gaumen-Erlebnis. Zum Schluss die Quitte, bestehend aus Quittencreme & Quitteneis mit Früchten vom nahe gelegenen Ort Friedenfels, gebranntem Broteis und karamellisierter Buttercréme. John weiß, was er da macht und wie anders er es macht!
Dazu im perfekten Duo Christian mit seiner Weinauswahl – mehr dazu lesen Sie im im aktuellen HENRIS Magazin 04I2024 oder im E-Magazin.
Liebe Villa Hundert: Wir kommen wieder, keine Frage, heut ist nicht aller Tage!