Liebe Leserin, lieber Leser,
während hier in Südtirol ganz aktuell die ersten Hotels zaghaft öffnen und auch ihre Restaurants wieder hochfahren, ist das Redaktions-Team Südtirol gerade bei den letzten Abstimmungsarbeiten für eine kleine Gault&Millau-Weltpremiere: Im Mai 2021 erscheint erstmals ein sowohl ausgezeichnete Gastronomie- und Hotel-Adressen wie auch die besten Weingüter und Lebensmittel-Produzenten umfassender Genuss-Guide für eine einzige Region als Hardcover-Buch im Burda-Verlag. In diesem Fall ist es Südtirol, das noch vor rund 100 Jahren südlichste Rotweingebiet Österreichs, welches sich in den zurückliegenden Jahrzehnten zur nördlichsten Weißwein-Provenienz Italiens entwickelt hat.
Genau diese unterschiedlichen politischen wie kulturellen Einflüsse machen das kleine Land zwischen Brenner und den oberitalienischen Seen, an einer der wichtigsten historischen Handelsrouten zwischen Nord- und Süd-Europa gelegen, zu einer der allerersten Genuss-Adressen überhaupt.
Der nachdenklichste und kreativste Koch in den Dolomiten, Norbert Niederkofler, bestätigt bescheiden, dass es eindeutig der qualitative Umbruch in der Südtiroler Weinszene der letzten 30 Jahre war, der auch die gastronomische Entwicklung mit einer Renaissance der klugen wie Ressourcen schonenden Alpenküche mit eigener kulinarischer Handschrift beflügelt hat. Eine Küche, die niemals für ein Aneinanderreihen von Luxus-Viktualien stand und deshalb heute, im Zeichen von Klimaschutz und nachhaltigem Handeln, aktueller ist denn je.
Das bedeutet allerdings bei weitem nicht, dass sich die Genusskultur in dieser kulinarischen Schatzkammer im Herzen der Alpen nun in monotoner Selbstkasteiung übt. Viel mehr ist es so, dass die neue Südtiroler Küche in ihrem wiederentdeckten Traditionsbewusstsein sinnbildlich aus dem Vollen schöpfen kann, denn Bozen war bereits im 13. Jahrhundert ein bedeutender Marktplatz für den Gewürzhandel. So sind beispielsweise Gewürznelken von den Molukken, Safran, Ingwer, Zimt, Muskatnuss, Pfeffer und Rohrzucker in alten Handelsbüchern dokumentiert. Asant, der sogenannte Teufelsdreck, eine Zutat für die berühmte englische Worcestershire Sauce, war schon damals in Bozen erhältlich, genauso wie Kapern.
Und während es der April in Deutschland nochmals kräftig schneien lässt, scheint hier am südlichen Alpenkamm bereits die Energie spendende Vorsommersonne. „Alles, was auf den höheren Gebirgen zu vegetieren versucht, hat hier schon mehr Kraft und Leben, die Sonne scheint heiß und man glaubt wieder einmal an Gott“, notierte Goethe in sein Reisetagebuch.
Mit den besten Grüßen aus Südtirol
Otto Geisel
Leiter des Expertenrats