Eine Feier der großen klassischen Gastronomie – Gastronom des Jahres Hermann Bareiss im Porträt 

„Grandseigneur, der: vornehmer, weltgewandter Herr“, sagt das Wörterbuch. Es folgen drei Beispielsätze von Tolstoi und Schultze. Welch unnötiger Aufwand, bedenkt man doch, dass das Foto eines Mannes ausgereicht hätte, um den Begriff in seiner Gänze erfahrbar zu machen: Hermann Bareiss. Der Patron des gleichnamigen Baiersbronner Hotels mit Spitzenrestaurant wurde unlängst im Gault&Millau-Restaurantguide für seine herausragende Arbeit und unnachahmliche Gastfreundschaft ausgezeichnet – als Gastronom des Jahres 2022

Auch wenn nicht einmal eine Persönlichkeit wie Hermann Bareiss bereits als großer Patron auf die Welt kommt, wurde ihm die Hotellerie sozusagen in die Wiege gelegt. Sieben Jahre nach seiner Geburt eröffnete Bareiss‘ früh verwitwete Mutter das Kurhotel Mitteltal, aus dem knapp vier Jahrzehnte später das hochdekorierte Hotel Bareiss wurde. Die Bezeichnung als geborener Gastgeber wäre für den Herrn mit den stets blitzenden Augen nicht gänzlich aus der Luft gegriffen.  

Nach der Ausbildung zum Koch und späteren Arbeitsstationen in London, Paris und Kairo kehrte Bareiss 1966 zurück nach Baiersbronn, um seiner Mutter im Hotel unterstützend zur Seite zu stehen. Zuvor hatte er bereits als Direktionsassistent im Hotel Bachmair in Rottach-Egern seine Fähigkeiten unter Beweis stellen können. Als er 1971 die Leitung des eigenen Familienbetriebs übernahm, setzte in dem beschaulichen Haus eine (R)Evolution ein: Hermann Bareiss modernisierte, ging neue Wege und brachte das Hotel innerhalb weniger Jahre an die deutsche Spitze. 

So erkannte Bareiss auch recht bald, dass zu einer erstklassigen Unterkunft auch ein erstklassiges Restaurant gehören sollte, und eröffnete am ersten Weihnachtsfeiertag des Jahres 1982 das gleichnamige Gourmetlokal. „Zur Feier der großen klassischen Gastronomie“, heißt es in der Laudatio der Gault&Millau-Auszeichnung. Bereits nach kürzester Zeit mit zahlreichen Auszeichnungen jeglicher Couleur bedacht, avancierte das Restaurant Bareiss schnell zu einem beliebten kulinarischen Pilgerziel. 

Heute ist nicht nur das Hotel mit fünf Sternen und dem „Superior“-Suffix bewertet, sondern auch das Restaurant mit vier roten Hauben im aktuellen Restaurantguide bedacht. Und Hermann Bareiss? Denkt gar nicht ans Aufhören. Zwar unterstützt ihn Sohn Hannes bereits seit dreizehn Jahren tatkräftig in allen Belangen der Hotelleitung, auch dessen Frau Britta ist eine feste Säule des Betriebs geworden, doch Hermann Bareiss bleibt den Gästen erhalten. 

Ob es nun die Abende sind, in denen sich der Achtundziebzigjährige im Restaurant einfindet und seine Gäste höchst persönlich begrüßt, hie und da ein kleines Schwätzchen hält oder jeden einzelnen Mitarbeiter mit Vornamen kennt: Großzügigkeit, Gastlichkeit, souveräne Kontinuität – dafür steht der Patron mit vollem Herzblut. Und so ordnet Bareiss auch seine Auszeichnung ein: als eine gemeinsame Leitstung von ihm und seinem Team: „Gastronom des Jahres wird man nicht im Sprint. Man wird es wegen des Marathons, jeden Tag alles und sein Bestes zu geben. Gastronom ist man nicht als Solist oder Einzelgänger. Man ist es im Team.“ 

Und auch abseits der eigenen Gasträume machte Hermann Bareiss mit guten Taten auf sich aufmerksam. Sein sozial-kulturelles Engagement brachte ihm unter anderem den Orden der Ehrenlegion für die Förderung der deutsch-französischen Freundschaft ein. Zusätzlich erwarb und restaurierte er 2003 den historischen Morlokhof, einen der ältesten erhaltenen Bauernhöfe im oberen Murgtal, in dessen Umkreis nun in Gemüse- und Kräutergärten und auf Streuobstwiesen nachhaltige Lebensmittel wachsen, die direkt in der hauseigenen Spitzenküche verarbeitet werden. 

Bei allem Streben nach Regionalität und Umweltverträglichkeit des eigenen Schaffens verliert das Bareiss nicht seinen größten Fokus: den Gast und dessen Wunsch nach einem großen Abend. Es gibt nicht viele Restaurants, die die Traditionen der großen Klassik – von den luxuriösen Viktualien über ihre sensible Zubereitung, den erstklassigen schwarz-weißen Service, die elegante Tischkultur vom blitzenden Silber bis zum üppigen Blumenschmuck – so kontinuierlich auf höchstem Niveau gepflegt haben wie das Restaurant Bareiss. 

Text: Nick Pulina

Foto: Florian Reimann

Ähnliche Artikel