„Der Schwarzwald war der Kompromiss, den ich eingehen musste“
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INTERVIEW Nick Pulina | FOTO birdyfoto
Sie ist gerade einmal 30 Jahre alt und besetzt als Maître d’Schwarzwaldstube schon einen der höchsten Posten, die es als Servicekraft in der deutschen Restaurantwelt überhaupt zu besetzen gibt. Schon seit 2015 kümmert sich Nina Mihilli (mit kleineren Unterbrechungen) um die Gäste der Schwarzwälder Institution. Im August 2022 wurde sie schließlich zur alleinigen Restaurantleiterin in dem mit fünf roten Hauben prämierten Schwarzwaldstube ernannt. Vor wenigen Wochen ist noch ein weiter Titel hinzugekommen: Gault&Millau-Gastgeberin des Jahres 2023I24. Im Interview erzählt uns Mihilli von ihrem Gastgeber-Gen, ihrer einst durchwachsenen und nun untrennbaren Beziehung zum Schwarzwald und warum sie eigentlich nur italienisch kochen kann – das dafür aber so richtig gut.
1. Frau Mihilli, was heißt es für Sie, Gastgeberin zu sein?
Ich möchte eine positive, angenehme Atmosphäre für meine Gäste schaffen. Sie sollen sich willkommen und gut aufgehoben fühlen. Da ist es dann auch tendenziell weniger wichtig, auf irgendwelche Regeln zu achten. Solange es dem Gast an nichts fehlt und die menschliche Basis stimmt, ist es erst mal auch relativ egal, ob der Teller nun von rechts oder links angereicht wird.
Wenn ich privat Freunde zum Essen einlade, verbringe ich auch gern einmal Stunden damit, den Tisch herzurichten, alles einzudecken oder verschiedene Servietten-Falttechniken auszuprobieren. Die denken dann immer, dass ich total durchgedreht bin, aber so bin ich eben: Ich liebe es, Gastgeberin zu sein.
2. Wie steht es aus Ihrer Sicht zurzeit um den Service in der deutschen Restaurantlandschaft?
Ich möchte nicht sagen, dass es schwierig um ihn steht, aber ganz einfach ist es zurzeit auf keinen Fall. Dieser Beruf, der ein unglaublich wundervoller Beruf ist, muss für junge Menschen wieder attraktiver gestaltet werden. Es wäre doch schade, wenn er ausstirbt. Ich bin mir allerdings sicher, dass wir uns aus so einer Phase auch wieder heraus kämpfen können.
3. Was bedeutet Ihnen der Schwarzwald?
In erster Linie bedeutet er für mich die Schwarzwaldstube. Ich habe mir noch nie einen Arbeitsplatz nach seinem Standort ausgesucht und der Schwarzwald war eben der Kompromiss, den ich eingehen musste, um dort arbeiten zu können. Mittlerweile ist er mein zu Hause und ich finde es superschön hier, aber als ich mit 21 Jahren hergekommen bin, wollte ich eigentlich eher Partys feiern, als mir Landschaften anzugucken. Damit muss man als junger Mensch erst einmal umzugehen lernen. Aber wenn man einmal den Freizeitwert dieser Region erkannt hat und auch ein bisschen älter wird, wird das schnell unbezahlbar. Darüber hinaus ist der Zusammenhalt zwischen den Teams hier auch ein ganz anderer als in der Großstadt. Wir kennen uns alle, auch über das eigene Restaurant hinaus, und verbringen viel Zeit miteinander.
4. Was tun Sie, um nach einer stressigen Arbeitswoche zu entspannen?
Das ist ganz unterschiedlich und hängt auch immer von der Saison ab. Zurzeit bin ich sehr oft im Freibad und lese ein Buch. Ansonsten gehe ich viel auf Konzerte, da kann ich meinen Kopf so richtig abschalten. Ich bin aber auch einfach gern mit Freunden zusammen; gemeinsam kochen, Wein trinken und gute Gespräche führen ist auch immer sehr schön. Ich glaube, man muss da einfach ein bisschen auf sein Bauchgefühl hören – brauche ich gerade eher etwas Ruhe oder soziales Miteinander – und sich das dann so zuführen, wie es sich richtig anfühlt.
5. Wo wir gerade bei Konzerten waren: Welcher Song sollte bei Ihrem größten Exzess im Hintergrund laufen?
Muss ich mich wirklich für einen entscheiden? Neben meinem Beruf ist Musik das Größte für mich, ich bin ein richtiger Musikmensch. Umso schwieriger ist hier die Entscheidung. Aber ich denke, zurzeit ist es „Times Like These“ von den Foo Fighters.
6. Gutes Gasthaus oder mittelmäßiges Gourmetrestaurant?
Gutes Gasthaus.
7. Champagner oder Pet Nat?
Champagner.
8. Wie schmeckt Ihre Kindheit?
Die schmeckt sehr italienisch. Meine Oma, die Mutter meines Vaters, kam aus Süditalien. Bei ihr habe ich sehr viel Zeit verbracht und war oft in den Ferien da. Mit ihrer italienischen Hausmannskost bin ich aufgewachsen: tiefe Tomatensoßen, Artischocken und so weiter. Von meiner Oma habe ich auch Kochen gelernt. Das heißt allerdings, dass ich heute eigentlich auch nur italienisch kochen kann (lacht).
9. Das heißt, würde man Sie für eine Nacht im Feinkostladen einsperren, plündern sie als Erstes das Regal mit den Antipasti?
Als allererstes würde ich mir das – hoffentlich gut sortierte und klimatisierte – Champagnerregal vornehmen.
10. Welches Produkt mögen Sie überhaupt nicht, auch wenn es noch so hochwertig ist?
Seeigel finde ich persönlich ganz schwierig. Ich habe mal in einem Restaurant in Paris einen Gang bekommen, in dem Gänseleber mit Seeigel gepaart war. Das habe ich bis heute nicht verstanden. Wenn er richtig eingesetzt ist, kann ich ihn aber auch essen.