Gault&Millau kürt die besten Genussadressen in Baden und Württemberg

Industriell ist die Gegend hier im Stuttgarter Osten: Der Großmarkt, ein Autohaus, ein wuchtiger Getränkehandel. Mittendrin die stylish-moderne Eventlocation Club Traube. Optisch fügt sich der unscheinbar brutalistische Bau so gut in die Umgebung, dass nicht wenige Gäste erst einmal an ihm vorbeifahren. Hier fand in stimmigem Ambiente die Präsentation des neuen Gault&Millau-Genussguides für Baden-Württemberg statt.

„Das ist eine echte Deutschlandpremiere“, leitet Moderatorin Anke Kronemeyer die Veranstaltung ein. Rund 50 Gäste sind gespannt auf die Präsentation des in Kooperation mit dem Tourismus-Marketing Baden-Württemberg (TMBW) entstandenen Guides. Im Gegensatz zu den vorigen Regionalführern liegt der Fokus hierbei nicht allein auf dem Wein, sondern stellt Hotel-, Restaurant-, Wein- und Einkaufstipps gleichberechtigt nebeneinander. Neu: Jedes Buch enthält einen individuellen Code, mit dem der gesamte Inhalt online einsehbar ist, kleine QR-Codes neben jedem Weingut leiten darüber hinaus direkt auf dessen individuelle Seite weiter, auf der sämtliche Verkostungsergebnisse der eingereichten Weine zu finden sind.

Mit einem Glas des raren 2015er „Aldinger Brut Nature“, den Weinguts-Patron Gert Aldinger eigens für das Event aus seiner Schatzkammer geholt hat, lauschen alle den Talk-Runden zwischen Kronemeyer – auch Autorin des Genussguides – und ihren Gästen. Diese sind neben Verlegerin Hannah Fink-Eder und Verleger Hans Fink, die besonders die digitalen Qualitäten des neuen Guides hervorheben, auch TMBW-Chef Andreas Braun und Patrick Rapp – seines Zeichens Staatssekretär im Ministerium für Wirtschaft, Arbeit und Tourismus. Beide bekräftigen Baden-Württembergs Ruf als kulinarisch spannendstes Bundesland der Republik.

Im Anschluss verleihen Expertenratsvorsitzender Otto Geisel und Christoph Wirtz, Chefredakteur des Restaurantguides, die Auszeichnungen. „Im Gegensatz zum Restaurantguide, der jährlich erscheint, soll der Genussguide über längere Zeit seine Aktualität behalten“, betont Geisel. „Somit war es nicht möglich, Auszeichnungen für die Bestleistungen eines Jahres zu vergeben. Stattdessen möchten wir überzeitliche Heldinnen und Helden des guten Geschmacks küren.“

Mit Alina Bebrout, Chefköchin im eigenen Ulmer Restaurant bi:braud wird eine junge Köchin als Heldin des guten Geschmacks in der Kategorie Gastronomische Innovation ausgezeichnet. Nach zwei Jahren als Souschefin ist die Zweiunddreißigjährige heute Gastgeberin in ihrem kleinen, aber sehr feinen Restaurant und besticht durch eine ungemein subtile Küche, wobei sie regionale Spezialitäten neu und international interpretiert, gerne auch als Tapas-Menü serviert.

Wo Innovation goutiert wird, darf auch der Blick auf die Tradition nicht fehlen. Dass man den ohnedies schönsten Ort am Bodensee noch schöner machen kann, indem man sich gegenseitig zu Höchstleistungen antreibt, das zeigen die Brüder Markus und Thomas Gruler vom Restaurant Seehalde in Uhldingen. Für ihr stetes Engagement für passioniert zeitgemäße, aber stets klassisch geprägte Gastronomie verleiht ihnen die Redaktion die Auszeichnung als Helden des guten Geschmacks der Gastronomischen Tradition.

Die Auszeichnung für den Vordenker des ökologischen Weinbaus geht an Heinz Heiler, der der Veranstaltung leider nicht persönlich beiwohnen konnte. Sein Enkel Philip Jacklin nimmt die Urkunde in Vertretung für ihn entgegen, der in den 2000ern mit Heitlinger und Burg Ravensburg zwei Traditionsweingüter vor dem wirtschaftlichen Ende bewahrte und Schritt für Schritt in eine erfolgreiche Zukunft führte, indem er sie auf Biodynamik umstellte. Die beiden Betriebe gehören mittlerweile zu den größten Produzenten von Bio-Wein in Deutschland.

Ein Mann, dem Genuss und gute Produktqualität ebenso sehr am Herz liegen wie die Lebensbedingungen der oftmals dahinterstehenden Tiere, ist Jürgen Mäder von Edeka Südwest. Er ist eine treibende Kraft, wenn es um die wichtigsten Initiativen innerhalb der Landwirtschaft Baden-Württembergs geht. Sein nachhaltiges Qualitätsbewusstsein in die gesellschaftliche Breite und Verfügbarkeit zu tragen, ist der große Verdienst dieses Überzeugungstäters. Der Gault&Millau zeichnet ihn dafür als Helden des guten Geschmacks in der Kategorie Changemaker aus.

Dass ein Lockdown auch etwas Gutes mit sich bringen kann, beweist das Familienhotel Sackmann in Baiersbronn. Jörg Sackmann, einer der kreativsten Köche des Landes, hat mit seiner Schwester Waltraud in einer einjährigen Umbauphase das Haus nicht nur komplett renoviert, sondern auch gleich für die nächste Generation neu ausgerichtet; inklusive 360°-Murgtal-Sky-Spa mit Infinity-Pool und Barfuß-Sky-Walk. Die Auszeichnung als Held des guten Geschmacks im Bereich Hotel erhält er für diese Leistung, wenn auch leider in Abwesenheit.

Um das Verständnis von Genuss und hochwertigen Lebensmitteln zu vermitteln, braucht es neben dem physischen Kontakt zu ihnen vor allem eines: Medien. In dieser Kategorie wird Christine Garcia Urbina, alias Tricky Tine, als Heldin des guten Geschmacks ausgezeichnet. Das Erfolgsrezept der Stuttgarter Food-Bloggerin ist simpel: Man nehme eine Prise Mut, eine ordentliche Portion Kreativität, viel Neugier und Gespür. Mit dieser Mischung bloggt Tricky Tine sei 2015 für eine wachsende Followerschaft und hat mit Ehemann Alfonso in Stuttgart den Kreativraum „Studio Urbina“ gegründet, wo Workshops, Ausstellungen und Tastings stattfinden.

Deutschlands Winzer mit der markantesten Handschrift ist nicht nur in den Königsklassen Pinot Noir und weißer Burgunder ein Star, vielmehr wenden sich Hanspeter und Edeltraud Ziereisen mit derselben Liebe und Aufmerksamkeit auch der für das Markgräflerland typischen und oft unterschätzten Rebsorte Gutedel zu. Der Erfolg gibt ihnen Recht – in New York avancierte der Gutedel nämlich zum wahren Geheimtipp unter den besten Sommeliers. Als Held und Heldin des guten Geschmacks der Weinkultur werden sie vom Gault&Millau für ihre außergewöhnlichen Leistungen ausgezeichnet. Beim anschließenden Flying Dinner aus echt württembergischen Spezialitäten klingt die Veranstaltung aus. Begleitend finden der 2019er Weißburgunder-GG, den Claus Burmeister vom Weingut Heitlinger im Gepäck hatte, einem 2018er Pinot Noir-GG vom Weingut Burg Ravensburg oder dem von Stéphanie de Longuville-Drautz vom Weingut Drautz-Able beigesteuerten 2015er Cuvée „Héritage“ den Weg in die Gläser.

Fotos: Thomas Jones

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