Liebe Leserin, lieber Leser,
der Grauburgunder ist landauf und landab so populär wie nie – was immer man unter dieser so oft und so lange schon als ölig-süßer Ruländer oder mainstreamiger Pinot Grigio gequälten Rebsorte auch heute noch verstehen mag.
Diese Sinnfrage führt unmittelbar in das Herz des Kaiserstuhls, wo die edle Burgunderrebe schon immer beheimatet war. Bereits unter der Ägide des unvergessenen Franz Keller senior durfte sie so gedeihen (und auch so ausgebaut werden), wie es ihr am besten entspricht, nämlich staubtrocken und mit kraftvoller Schlankheit.
Fritz Keller trägt die Philosophie des Vaters weiter: „Wir lieben durchgegorene Weine und stehen sowohl für leichte, frische als auch für mineralische und gehaltvolle Weine.“ Keller verweist gleich auf den Grauburgunder, der knapp vierzig Prozent Rebfläche des Keller’schen Weingutes einnimmt. „Der ist doch kein Tussi-Wein!“, erzürnt er sich ganz in väterlicher Tradition über die oftmals weichgespülten, mit Restsüße ‚verbesserten‘ Vertreter dieser kernigen Rebsorte.
Was aber wiederum sein Sohn Friedrich mit dem überragend klar und selbstbewusst vinifizierten und inzwischen zart gereiften 2016er Schlossberg GG ins Glas zaubert, schießt wirklich den Vogel ab!
Dieser ganz große Grauburgunder wurde zuletzt aufgetragen und eingeschenkt im mit sehr viel Klasse neu gestalteten Münchner Restaurant Tantris anlässlich des 18. Eckart Witzigmann-Preises. Er begeisterte die kenntnisreiche Gästeschar mit seiner kraftvollen Würze, seiner enormen Eleganz und seinem dabei kaum vorstellbaren Trinkfluss – dank schlanker 13 Vol.%. Auch der Grand Seigneur der deutschen Hotellerie und Gourmandise, Hermann Bareiss, war hin und weg ob der Traumkombination von Hechtklößchen mit Zander und Flusskrebsen in Sauce Nantua aus der Tantris-Küche von Chef Benjamin Chmura.
Eine schöne Erinnerung, ein großartiger Wein.
Einen guten Genuss wünscht Ihnen
Otto Geisel
Leiter des Gault&Millau Expertenrats
Foto: unsplash