„Es ist hier alles wie in Bullerbü“

Im Gespräch mit Britta Johannsen von der Honkenswarf, unsere Produzenten des Jahres 2025

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TEXT Nick Pulina I FOTOS Familie Johannsen

Wer auf Föhr oder Amrum einkauft, ist es gewohnt, dass die meisten Lebensmittel nicht von den Inseln kommen. Die Butter allerdings kommt in einigen Geschäften nicht vom Festland, sondern von einem noch kleineren Fleckchen Land: von der Hallig Langeneß. Familie Johannsen hält auf der Honkenswarf rund 50 bis 60 Kühe und produziert in dieser einzigartigen Lage eine aromatische Butter, wie wir sie kaum mehr kennen: Terroir und Mikroklima pur. Für ihre Verdienste um den Genuss auf den Halligen und Inseln wurde Familie Johannsen im aktuellen Restaurantguide 2025 als unsere Produzenten des Jahres ausgezeichnet. Wir sprechen mit Britta Johannsen über die Besonderheiten ihrer Butter, das Leben im Angesicht der Gezeiten und die Frage, wie man Kühe flutsicher ‚verstaut‘.

Waren Sie heute schon am Meer? Wie ist die Lage zurzeit?

Ja, ich war heute morgen kurz an der Nordsee, da war allerdings gerade Ebbe.

Wie war das jetzt noch gleich mit einer Hallig oder einer Insel?

Eine Insel hat in der Regel einen schützenden Deich rundherum und ist daher vor dem Meer geschützt. Die Halligen nicht, sie sind plattes Land. Unsere Häuser und unser ganzes Hab und Gut stehen auf aufgeschütteten Erdhügeln, den Warften. Wenn das Wasser mehr als einen Meter über Normalhochwasser steigt, haben wir Landunter. Das kommt in der Regel hauptsächlich im Winterhalbjahr vor, da ungefähr zehn- bis zwölfmal pro Jahr. Das klingt vielleicht viel, aber für uns ist das ganz normal. In den Bergen ist es der Schneefall, bei uns ist es die Nordsee. Nur können wir ziemlich genau abschätzen, wann das Wasser kommt. Auch ich als Zugezogene kann das nach mittlerweile 30 Jahren ganz gut einschätzen. Außerdem ist das Wasser nach einer gewissen Zeit auch recht verlässlich wieder weg, meist so nach 24 Stunden. Man lernt es, die Ruhe zu bewahren. Mit ein bisschen Vorbereitung ist das alles halb so wild.

Was ist Halligbutter?

Halligbutter ist ein traditionelles Produkt, das hier schon seit gefühlten Urzeiten hergestellt wird. Sie ist eine Sauerrahmbutter, die wir auch heute noch herstellen. Wir machen sie nur heute etwas anders als früher. Da hat man die Sahne einfach hingestellt und abgewartet, bis sie sauer geworden ist. Das kann unser Körper heutzutage nicht mehr gut ab. Wir setzen eine besondere Kultur in die Sahne, wodurch sie in der Kühlung innerhalb von 24 Stunden sauer wird. Die Alteingesessenen haben uns allerdings bestätigt, dass sie trotzdem noch genauso schmeckt wie die altbewährte Halligbutter. Mittlerweile machen wir sie schon seit 25 Jahren nach dieser Methode.

Wieviele Tiere haben Sie und was fressen sie?

Wir selber besitzen gut 60 Tiere, steigern die Anzahl aber gerade etwas wegen der Kalbezeit. In den Herbst gehen wir immer mit 50 Tieren. Gemolken werden aber nur acht Stück von ihnen, die anderen sind Mutterkühe, außerdem noch ein zwei Bullen für die Nachzucht und einige Kälber, die wir mit überwintern lassen. Das Futter für die Tiere produzieren wir selbst. Wegen der Brutvögel starten wir die Heuernte erst am 01. Juli und können dann auch nur einmal mähen, weil das Land so karg ist. Neben den großen Heulage-Ballen stellen wir dabei vor allem kleine HD-Ballen her. Man muss eben so produzieren, dass man im Winter alles auf der Warft lagern kann, sonst würde ja alles überspült werden. Daher eignen sich kleine Ballen besser, die wir einfach auf den Heuboden werfen können. Das Karotin in den Salzwiesengräsern macht sich übrigens durch das deutliche Quittengelb in der Butter bemerkbar. Manchmal ist sie sogar fast postgelb. Im Heu bleibt das Karotin aber nicht lange erhalten, weshalb die Butter aus Wintermilch sehr hell ist.

Was machen Sie mit den Tieren, wenn Landunter ist?

Ab November stehen die Kühe bis Mai im Stall, einfach weil das Land für sie dann ja auch nicht mehr viel hergibt. Salzwiesen wachsen später und langsamer als gewöhnliche Wiesen. Wenn im Sommer mal Landunter ist, was vielleicht ein- bis zweimal pro Jahr passiert, dann ist der Wasserstand meist etwas niedriger als im Winter. Falls er doch mal zu hoch steigt, haben wir Vorrichtungen auf den Auffahrten, auf die wir die Kühe lotsen und auf denen wir sie vor dem Wasser schützen können. Das ist allerdings wahnsinnig aufwändig und mit viel Arbeit verbunden.

Wo kann man Ihre Halligbutter beziehen?

Am besten bei uns im Hofladen. Wir haben aber auch eine kleine Verkaufsstelle in der Fleischerei meiner Cousine auf Föhr. Und auf dem Festland in Dagebüll, wo die Fähren Richtung Föhr und Langeness abfahren, gibt es auch einen kleinen Laden. Für so etwas wie einen Onlineshop haben wir gar nicht die Warenmenge, außerdem wird das mit dem Versand schwierig, von uns aus braucht die Post einen Tag länger als auf dem Festland.

Haben Sie ausschließlich Milchkühe oder produzieren Sie auch Fleisch?

Wir produzieren auch Fleisch. Neben den acht Milchkühen haben wir 25 Mutterkühe, die gerade kalben. Die Kälber sind dann den Sommer über bei ihren Müttern. Zum Herbst hin werden die männlichen Kälber schließlich zur Fleischproduktion verkauft, die meisten weiblichen bleiben noch für den Winter. Neben den verkauften Kälbern lassen wir aber auch direkt auf der Hallig für unseren eigenen Hofladen schlachten. Das passiert direkt bei uns im Haus.

Sie sind der letzte Milchbetrieb auf allen zehn nordfriesischen Halligen. Wie erklären Sie sich das?

Es hat mal 40 Milchlandwirte gegeben. Als dann in den 80ern die Milchquote kam, haben die meisten aufgehört. Mein Schwiegervater wollte auch aufhören, hat den Betrieb dann aber nur verkleinert, um weiterhin Butter und Milch für den Halligbedarf zu produzieren. Viele haben die Stallungen zu Ferienwohnungen umgebaut. Feriengäste zu beherbergen ist lukrativer geworden als Kühe zu melken. Man muss kein Heu produzieren, man hat keine Gülle und keinen Mist, den man ausbringen muss. Leicht wird es uns auch nicht gemacht. Es gibt ständig neue Vorgaben. Die Bürokratie kann einen da schon manchmal zur Verzweiflung bringen. Aber wir halten noch so ein bisschen durch. Da ist natürlich viel Idealismus dabei, aber unser Sohn möchte den Betrieb gerne fortführen. Er ist jetzt 26 und arbeitet zum Teil auch hier im Betrieb mit. So lange er diesen Plan hat und er auch weiterhin umsetzbar bleibt, machen wir hier weiter.

Woher kommt eigentlich der Name Honkenswarf?

Die Warft ist nach ihrem Erbauer benannt. Tatsächlich heißt mein Mann aber auch Honke, wie der Erbauer. Meine Schwiegereltern hatten im Stammbaum gesehen, dass es trotz des Namens der Warft schon seit Jahrhunderten keinen Honke mehr hier gab, da sollte mal wieder einer her (lacht).

Kann man Sie auch besuchen?

Aber sicher! Wir haben insgesamt acht Ferienwohnungen in verschiedensten Größen, vom Einzelappartement bis hin zur Wohnung für Familien mit einigen Kindern, auch gerne mit Hund. Die Sommerferien sind bei uns immer gut ausgelastet. Kein Wunder, mit Kindern Urlaub auf dem Bauernhof zu machen, der dann auch noch direkt an der Nordsee liegt, ist sehr beliebt. Es ist hier alles ein bisschen wie in Bullerbü. Man kann die Kinder auch problemlos einfach draußen rumlaufen lassen, man sieht sie ja überall. Wir vermieten aber nicht nur im Sommer. Wer also mal gar nichts sehen oder hören und sich einfach den Wind um die Nase blasen lassen möchte, kann – insofern die Fähre fährt – auch gern im Winter kommen. Nur zu Weihnachten und Silvester ist es meistens ziemlich trubelig.