Über Bahnhofshallen und italienische Gelassenheit: Warten war noch nie so schön – ein Besuch im Ciao Mausi  

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TEXT I FOTOS Lisa-Marie Renn

Bahnhofshallen und Gemütlichkeit – zwei Dinge, die normalerweise wenig miteinander zu tun haben. Doch in Weßling, wo vieles ein bisschen anders läuft, findet sich zwischen ein- und ausfahrenden Zügen die vielleicht charmanteste Wartehalle Bayerns. Ein Ort, an dem man gerne bleibt, auch wenn der nächste Zug längst abgefahren ist.  

Direkt am Gleis haben Maximilian Hildebrandt, Raphael Tscheliesnig und Maximilian Guttenthaler einen Ort geschaffen, der mehr als nur ein Kiosk oder eine Wartehalle ist. Das Ciao Mausi ist ein Treffpunkt. Ein Wohnzimmer für Weßling, eine Mischung aus Café, Bar und Bistro – eine Art kulinarischer Mikrokosmos direkt am Bahnhof. Man kommt für einen Kaffee, ein Glas Wein oder ein Bier – und bleibt. Weil es einfach schön ist. Weil es sich so anfühlt, als wäre man genau da, wo man sein soll.

Von Weßling in die Welt – und wieder zurück

Maximilian Hildebrandt und Raphael Tscheliesnig kennen sich seit ihrer Kindheit. Weßling war immer ihr Zuhause, aber wie das so ist – irgendwann zieht es einen raus in die Welt.

Hildebrandt absolvierte eine Ausbildung zum Hotelfachmann, arbeitete als Bartender, später als Betriebsleiter in der Goldenen Bar, kümmerte sich als Sommelier um die Weinauswahl im Restaurant Mural und verbrachte schließlich mehrere Jahre in der Toskana – auf Salicutti, dem Weingut der Tantris-Betreiberfamilie Eichbauer.

Tscheliesnig hingegen begann mit einem umwelttechnischen Studium, entschied sich dann aber für das, was ihn wirklich begeistert: die Gastronomie. Er arbeitete in beiden Tantris-Restaurants und perfektionierte dort seinen Service, bevor er sich zusammen mit Hildebrandt an ein eigenes Projekt wagte.

Und dann ist da noch Maximilian Guttenthaler, genannt Gutti. Eigentlich wollte er nur helfen – jetzt ist er immer noch da. Gelernter Koch, aber mit Umwegen: erst ein politikwissenschaftliches Studium, dann die Kochausbildung. Stationen bei Bobby Bräuer, im Tantris und im Gasthaus Waltz. Er bringt die Erfahrung der Spitzenküche mit, hat aber keine Lust auf übertriebene Perfektion. Die Küche im Ciao Mausi ist sein kreatives Spielfeld – spontan, handwerklich, immer auf das Produkt fokussiert.

Dass diese drei aus einer alten Wartehalle einen der spannendsten Orte im Landkreis gemacht haben, war nicht geplant – aber irgendwie auch unvermeidlich. Die Halle stand zwölf Jahre leer, diente zwischendurch als Corona-Testzentrum, zuvor war es ein klassischer, leicht verlotterter Bahnhofskiosk, in dem immer die gleichen vier Leute saßen. Ein düsterer, vergessener Ort.

Dann lag da dieser Flugzettel im Briefkasten von Hildebrandts Mutter – eine Ausschreibung der Gemeinde für die leerstehende Wartehalle. Die Bewerbung war schnell geschrieben, die Präsentation vorbereitet – und im Februar 2024 kam die Zusage. Plötzlich hielt sie den Schlüssel in der Hand. Dann folgte der Umbau – selbst finanziert, selbst gemacht. Ursprünglich war langsames Wachstum geplant. Dass sich das Ciao Mausi innerhalb weniger Monate zu einer festen Größe entwickeln würde, hätten sie selbst nicht erwartet.

Bahnhofsgastronomie – neu gedacht

Bahnhofsgastronomie – das klingt oft nach Convenience, Coffee-to-go und vorgepackten Snacks. Aber hier? Hier ist es anders. Gemütlichkeit auf Bahnhofsflair – das funktioniert eben nur in Weßling.

Drinnen: Hochtische, kleine Sitzecken, eine lange Tafel aus alter Eiche auf gebrauchten Fässern vom Weingut Salicutti. An der Decke bemalte Graffiti-Leinwände der Weßlinger Jugend, die den Schall schlucken. Die Deko? Ein wenig wie die Betreiber, charmant-chaotisch: ein Fernet-Poster, viele liebevolle Details, die nach und nach dazugekommen sind. Das Ciao Mausi zeichnet sich durch eine Mischung aus Industrial, Wohnzimmer und Italo-Flair aus. Durch die große Glasfront sieht man die S-Bahnen vorbeirauschen und fühlt sich ein bisschen wie in einem europäischen Indie-Film.

Draußen: ein kleiner Außenbereich, perfekt für laue Sommerabende mit einer Flasche Wein, während man den Zügen hinterherblickt. Ein bisschen Pragmatismus, ein bisschen Poesie.

Und der Name? Der entstand, wie so vieles, eher zufällig. Erst wurde lange nach einer Idee gesucht, dann fiel Tscheliesnigs Neffe mit seiner Angewohnheit auf: Er begrüßte jede Frau, egal welchen Alters, mit „Ciao Mausi“. Ein bisschen italienischer Einschlag, ein bisschen Weßlinger Charme – und die beiden Mamas fanden es ebenfalls gut.

Auch das Konzept entwickelte sich organisch. Der Raum ist gemütlich, aber wirkt nie durchgestylt. Es sind die kleinen Details, die zeigen, dass hier keine Marketing-Idee umgesetzt wurde, sondern ein Ort mit Herz gewachsen ist. Die Teller, ehemalige Personalteller, stammen aus dem Tantris, die Teigknetmaschine ebenfalls. Ein Hauch Winkler, ein bisschen Haas – mitten in Weßling. Über der Tür ein altes S-Bahn-Schild, über einem der Fenster das erste gekaufte Einrichtungsstück – ein hölzernes Karussellpferd. An den Wänden hängen historische Aufnahmen aus dem Gemeindearchiv, die den Bau der Gleise dokumentieren.

Und als Signature-Drink hat sich Fernet Cola etabliert – nicht jedermanns Sache, aber die Jungs stehen drauf.

Kleine Karte, große Leidenschaft

Die Karte ist handverlesen, ehrlich, aber niemals kompliziert. Die Weine sind biodynamisch, alle spontanvergoren, keine Reinzuchthefe. Die Auswahl ist kuratiert nach persönlichen Vorlieben, nicht nach Trends. Es kommt eben nur auf den Tisch, was man selbst gerne trinkt. Sangiovese und Blaufränkisch als Herzensempfehlung des Hauses. Alle zwei bis drei Monate geht es nach Italien – fürs Lager und die Inspiration.

Das Essen lässt sich am ehesten als eine Mischung aus italienischem Einschlag und kreativer Spontanität beschreiben. Blechpizza und Focaccia waren von Anfang an gesetzt. Es gibt wechselnde Tagesgerichte, die intuitiv aus dem entstehen, was gerade da ist. Kein Chichi – sondern ehrliches, gutes Essen mit viel technischem Handwerk.

Gekocht wird im Pizzaofen, was Einschränkungen mit sich bringt, aber auch die Kreativität fördert und fordert. Die Teller sind oft italienisch angehaucht, aber nie klassisch. Bitterstoffe, Süße, Säure – das Spiel mit Kontrasten ist wichtiger als starre Konzepte.

Das Gemüse kommt von kleinen Produzenten, das Fleisch vom Metzger in vierter Generation. Guttenthaler hat seit der Eröffnung im August 2024 rund 60 bis 80 verschiedene Tellergerichte entwickelt – immer saisonal, immer frisch. Oft ist es vegetarisch, viel wird fermentiert oder eingelegt. Klein, produktfokussiert, einfach gut.

Und dann gibt es noch die Gemischte Tüte – eine kleine Kindheitserinnerung. Cola-Kracher, Gummibärchen – einfach, weil’s schön ist.

Bleiben, bis zum letzten Zug

Geöffnet ist das Ciao Mausi von Dienstag bis Samstag, jeweils von 12 bis 24 Uhr. Genug Zeit für einen schnellen Espresso, ein Glas Wein am Nachmittag oder einen Abend mit Freunden, der länger dauert als geplant.

Die kleine Sonnenterrasse soll ab Mai bespielt werden. Geschlossene Veranstaltungen gibt es maximal einmal im Monat – ansonsten bleibt alles, wie es ist: spontan, unaufgeregt, authentisch.

Ein perfekter Tag in Weßling? Erst eine Runde um den See – und dann ins Ciao Mausi – und vielleicht einfach bis zum letzten Zug bleiben. Weil es sich genau danach anfühlt.

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