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TEXT Nick Pulina I FOTOS Felix Groteloh
Schon von weitem entströmt es in die Luft, dieses wohlig-frische Aroma. Es riecht, als hätte jemand in spürbarer Nähe den Daumennagel durch die Schale einer frischen, saftigen Mandarine gleiten lassen und würde diese nun genüsslich auseinanderbrechen. Doch eine Mandarine ist weit und breit nicht zu erkennen. Stattdessen kommt ein Glas an den Tisch, ein unscheinbares, kleines Glas mit einem zarten Stiel und einer nur wenige Zentimeter breiten Öffnung. Darin ruht eine ebenso unscheinbar aussehende Flüssigkeit. Allein der Duft, der wie die sizilianische Sommersonne aus dem Glas herausstrahlt, verrät, worum es sich hierbei handelt: keine schnöde Zitrusfrucht, sondern die schiere Essenz der Mandarine. Es ist ihr Geist. Eingefangen von Florian Faude, Gründer und Betreiber von Faudes Feine Brände, unserer Brennerei mit der Kollektion des Jahres 2025.
Aprikose, Pflaume und Quitte, vielleicht noch Birne, Himbeere und Haselnuss – allzu groß ist sie normalerweise nicht, die Auswahl an verschiedenen Geschmacksrichtungen in der Obstbrand-Karte. Bei Florian Faude sieht das völlig anders aus. In seiner Brennerei am südöstlichen Kaiserstuhl widmet sich der gelernte Winzer bereits seit beinahe 20 Jahren vollumfänglich der Produktion erstklassiger Spirituosen. Neben eher jungen Projekten wie seinem Whisky oder dem erst kürzlich erschienenen Wermut sind es vor allem die kreativen Obstbrände und -geiste, die die Kollektion des 40-Jährigen prägen. Da stehen Produkte wie Rote Bete, Schlangengurke oder Zitronenverbene auf den Zutatenlisten, Fichtensprossen, kalabrische Bergamotte und natürlich die besagte Mandarine aus Sizilien. Faudes Sortiment ist an Vielfalt kaum zu überbieten; eine Vielfalt, unter der trotzdem nie die Qualität leidet.
Qualität als oberstes Gebot
„Es ist wie beim Kochen: Du musst gute Zutaten haben, sonst funktioniert es nicht“, sagt Faudes langjähriger Freund und Mitarbeiter Chris Weber. „Florian sagt immer: ‚Wenn du nichts Gutes reintust, dann kommt auch nichts Gutes dabei raus.‘ Das trifft es ziemlich gut. Und da wir unsere Grundprodukte entweder aus unserem eigenen Anbau oder, mit wenigen Ausnahmen, von Bekannten aus der unmittelbaren Region beziehen, können wir immer einen Blick auf die Qualität haben. Dabei sind wir dann aber auch konsequent. Zuletzt hatten wir zum Beispiel vier Jahre lang keinen Aprikosengeist mehr im Sortiment, weil wir mit der Qualität nicht zu hundert Prozent einverstanden waren. Dann konzentriert man sich eben solange auf etwas anderes.“
Nachhaltigkeit und Regionalität sind hier keine leeren Worthülsen. Schon seit Florian Faude im Jahr 2006 mit dem Brennen begonnen hat, kommt ein Großteil des verwendeten Obstes von den Streuobstwiesen der Umgebung. Inzwischen kümmern sich Faude und seine beiden Mitarbeiter auch um die Obstbäume der Gemeinde und dürfen daher nicht nur die Ernte vornehmen, sondern sogar die Sorten neu gepflanzter Bäume bestimmen. Denn auch das Erhalten und Repräsentieren alter oder weniger bekannter Obstsorten wie der Haferpflaume, der Zibarte und einer ganzen Reihe verschiedener Apfelsorten gehört für Faude zum Nachhaltigkeitsbegriff dazu.
Ein unerwartetes Erbe: Der Beginn von Faudes Brennerei
Kurz bevor er im Jahr 2006 mit dem Brennen begonnen hatte, war es ihm und seiner Familie, die sich in den 1980ern hier niederließ, gar nicht bewusst, dass hier überhaupt Schnaps gebrannt werden darf. „Florians Eltern kamen aus dem Schwäbischen und haben sich hier in Bötzingen einen Hof gekauft“, erläutert Weber. „Da lag nach altem Erbrecht noch das Recht zum Brennen drauf. Das ist allerdings erst rausgekommen, als eines Tages der Zoll vor der Tür stand und eine Routinekontrolle vornehmen wollte. Und da Brennen ja Teil der Winzerausbildung ist, die Florian gemacht hatte, hat er einfach mal angefangen, ein kleines Kontingent zu brennen, das dann sehr schnell Anklang gefunden hat. Nun sind es schon fast zwanzig Jahre.“
Spitzenklasse aus dem Glas
Für Gault&Millau gehört Florian Faude zweifelsohne zu den Besten seines Faches. Mit der Auszeichnung zur Kollektion des Jahres sollen seine Verdienste um die Brennkultur in Deutschland noch einmal hervorgehoben werden. Dass wir uns kaum für einen Favoriten aus seiner Kollektion entscheiden konnten, wie es in der Auszeichnungsbegründung heißt, unterstreicht einmal mehr Faudes Fähigkeit, bei der großen Sortenvielfalt niemals den Fokus für das einzelne Produkt aus den Augen zu verlieren. Am Ende sind es Faudes Zitrusgeiste, die es uns besonders angetan haben: „Die sizilianische Orange: ein Hochsommertag, konserviert in flüssiger Form. Wärmend in jeder Hinsicht. Die Mandarine macht ob ihrer natürlichen, glockenklaren und nachhaltig sauberen Frucht fast sprachlos“, heißt es in der Auszeichnungsbegründung von Eva Adler, der Leiterin der Spirituosenverkostung.
Faude bleibt hungrig auf Neues
Das Ende der Fahnenstange, das macht Weber unmissverständlich klar, habe man bei Faude trotzdem noch lange nicht erreicht. In der neugebauten ersten eigenen Produktionshalle, die Faude Feine Brände im vergangenen Oktober bezogen hat, wird immer weiter experimentiert. Zwar wolle er sich mit Konkretem lieber bedeckt halten, aber Stichworte wie Melone, Lorbeer und grüne Walnuss lassen sich Weber dann doch entlocken. Wir sind gespannt, wie diese und weitere Experimente verlaufen werden und freuen uns über alle, die bereits gelungen sind. Denn, und da waren wir uns von der ersten Verkostung an sicher, besser geht es kaum.
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