Zu Tisch mit…Emilio Foradori-Zierock

Kolumne im Henris-Magazin

Köstlich essen und trinken, vor allem aber gute Gespräche mit interessanten Leuten führen, das ist unsere Kolumne „Zu Tisch mit…“ im Henris-Magazin.

Jetzt teilen

TEXT Otto Geisel | FOTOS Foradori

Nach einem schweren Helikopterunfall in den kanadischen Bergen im vergangenen Winter ist Emilio Foradori-Zierock vom Weingut Foradori im Trentino wieder wohlauf und sprüht vor Tatendrang. Bei einer Jause mit hausgemachtem Käse spricht er darüber mit Otto Geisel, dem Leiter des Gault&Millau-Expertenrats.

Emilio Foradori-Zierock führt heute zusammen mit seinem Bruder Theo, seiner Schwester Myrtha und nicht zuletzt seiner Mutter Elisabetta das bald 125 Jahre junge Trentiner Vorzeige-Gut Foradori. Der Begriff Weingut wäre hier nicht wirklich zutreffend, der Wein steht zwar im Mittelpunkt, dieser wird heute aber kongenial mit einer eigenen Käse- und Gemüse-Produktion flankiert und ergänzt.

Aus der Not des raren Bodens im alpinen Etschtal macht man bei Foradoris eine Tugend. Die Idee dazu hatte Myrtha während ihres Argrarwissenschafts-Studiums in Kanada. Dort müssen die kurzen Vegetations- und Wachstumsphasen maximal genutzt werden. So baut sie nun zuhause zwischen den Rebenzeilen Salate und Gemüse an. Das ist aufwändig und kostet viel Zeit, erbringt aber Erzeugnisse von erstklassiger Qualität. Wie bei Foradoris üblich, setzt sie dabei radikal auf Qualität, modernisiert traditionelle Methoden und Erfahrungen und stärkt dadurch das lokale Netzwerk einer nachhaltigen Landwirtschaft.

Wichtiger önologischer Impulsgeber

Schon der aus Stuttgart stammende Vater Rainer Zierock, ebenfalls Agrar-Wissenschaftler und Universitätsprofessor, war bis zu seinem viel zu frühen Tod vor 15 Jahren, einer der wichtigsten önologischen Impulsgeber in Italien, Frankreich und der Schweiz. Auch in Deutschland hat Rainer Zierock, zusammen mit der württembergischen Arbeitsgruppe HADES, beginnend in den 1980er Jahren bis heute immer noch spürbare Impulse im dort durch reinen Technik-Glauben verlorengegangenes Wissen um den Weinausbau in Barriques wieder ins önologische Bewusstsein zurückgeholt und somit im Kleinen ein großes Erbe hinterlassen.

Zusammen mit seiner Ehefrau Elisabetta Foradori schuf der „Rockstar unter den Önologen“ mit dem Grantao einen Leuchtturm und zugleich ein Denkmal für die im Trentino heimische und bis dahin vollkommen unterschätze Rebsorte Teroldego.

Wir treffen Emilio zu einer Jause mit einem wunderbaren Stück eigenem Käse aus Milch von dem in den Dolomiten typischen Graurind, aus der mütterlichen Manufaktur. Der Käse schaut aus wie ein gereifter Bergkäse ausschauen sollte, erinnert geschmacklich aber ein wenig an einen Bleu d’Auvergne oder an den Cabrales aus Asturien. Nur sieht man bei diesem Trentiner Original nicht für diese Käsegattung bläuliche Färbung. Dies wiederum ist der Grund, warum er mit der Foradori‘schen, familieneigenen Selbstironie den Namen „Blau-Blau“ führen darf.

Die unternehmerische Lust ist wieder da

Das Erste, was bei der persönlichen Begegnung auffällt, ist, dass Emilio eine unmittelbare Lebensfreude und eine unbändige unternehmerische Lust ausstrahlt, was nach dem fatalen Hubschrauber-Absturz am Jahresbeginn nicht unbedingt zu erwarten war. Vier von den sieben Hubschrauber-Insassen überlebten diese Katastrophe in den kanadischen Bergen nicht.

„Was mir dabei passiert ist, passiert im Grunde täglich mit derselben Wucht und Dramatik tausende von Menschen, natürlich habe ich ein immenses Gefühl der Dankbarkeit, die Resilienz des Körpers dabei ist unglaublich.“

Auf eine mögliche Wesens-Veränderung durch dieses Unglück angesprochen, erwidert ein lächelnder Emilio knapp und unübertrefflich deutlich: „Meine Mutter sagt, ich habe gehofft, dass du jetzt ein besserer Mensch wirst und du bist doch immer noch derselbe geblieben.“

Auch weiter lässt Emilio bei einem Schluck – privat trinke ich eher selten unseren eigenen Wein – 2016er Château Chalon ‚En Beaumont‘ der Domaine Grand, einem befreundeten Weingut aus dem Jura, tief blicken. „Für mich sind drei Elemente – und dass sie miteinander in Harmonie sind – wichtig. Und zwar Freiheit, Geborgenheit und Neugierde, nur so kann wirkliche Euphorie aufkommen!“

Die Saat ist aufgegangen

Nochmals auf den berühmten und wegweisenden Vater angesprochen, lässt dieser Hinweis aufhorchen: „Überall dort wo hier die aus den Pyrenäen stammende Rebsorte Petit Manseng an und ausgebaut wird, steckt mit großer Sicherheit „Er“ dahinter.“ Und das wären beispielsweise die renommierten Güter Alois Lageder und Manincor, wo sich fast wie nebenbei auch die vor 100 Jahren von Rudolf Steiner initiierte Bio-Dynamie durch den Rat des Wein-Professors etabliert hat.

Dass diese Saat auch im eigenen Weingut nicht nur bestens aufgegangen, sondern sich zu einem echten, auf den ganzen italienischen Weinbau ausstrahlenden Leuchtturm entwickelt hat ist sicherlich das große Verdienst von Emilios Mutter, eine ebenso sanftmütige, wie energisch, fest zupackende Persönlichkeit. Inzwischen wird diese Flamme mit allergrößtem Selbstverständnis weitergetragen und mit gesundem Selbstbewusstsein und mit einem für Emilio typischen Augenzwinkern auch weiterentwickelt.

Eine ehrliche Einschätzung des Jahrgangs

Jetzt, kurz vor der Ernte 2024 eine qualitative Prognose zu geben, wäre wohl Kaffeesatz-Leserei, insofern ist eine konkrete und schonungslos ehrliche Einschätzung des zurückliegenden Jahrgangs mit bereits vorliegenden Ergebnissen wohl viel interessanter. Im Hause Foradori, insbesondere aus dem sachkundigen Mund von Emilio gibt es sowieso keinen Marketing-Sprech:

„2023 war eine Berg- und Talfahrt 2023, der zweite extrem trockene Winter mit kaum Niederschlag zwischen Mitte Dezember bis April. Im nur 40 Minuten von uns entfernten Gardasee wurde der niedrigste Wasserstand dieses Jahres gemessen, mit dramatischen Folgen für Flora und Fauna, jegliches Leben schien aus der Natur gewichen zu sein. Mich hat es zwei Paar Ski gekostet, da selbst die nach Norden ausgerichteten Pisten nahe der Gletscher voller Steine waren; harte Zeiten für passionierte Wintersportler wie mich.

Und dann änderte sich das Wetter schlagartig. Im Mai, Juni und vor allem im Juli fiel so viel Regen, dass die Wasserspeicher der Böden Ende September wieder gut gefüllt waren. Auch das Auf und Ab der Temperaturen glich einer Achterbahnfahrt: Ein milder Winter, ein kühler Sommer, die Monate September und Oktober dann überraschend heiß.

Dieses Kapriolen hatten natürlich starke Auswirkungen auf Vegetation und Reben. 15% weniger Ertrag durch Mehltau, Hagelschäden in Teilen unserer Weinberge. Insgesamt 22 % weniger Erntemenge im Vergleich zum Vorjahr! Interessanterweise konnten gerade die weißen Rebsorten von diesen Bedingungen profitieren. Die Weine zeichnen sich durch einen höheren Säuregehalt und weniger üppige Frucht aus.

Der Pinot Grigio – zweimal vom Hagel getroffen

Die noch gärenden Roten lassen eine kräuterig würzige Variante des Teroldego erwarten. Die Ernte dauerte vom 28. August bis zum 2. Oktober, etwas länger als sonst. Unser Pinot Grigio wurde zweimal vom Hagel getroffen: jeweils im Juli und August. Anfänglich schien der Schaden unerheblich, doch bei der Selektion der Trauben zeigten sich die wahren Ausmaße: Viele Beeren waren wie ausgetrocknet oder unreif, auch wenn sie nur leicht vom Hagelsturm getroffen wurden. Unser Pinot Grigio wird im Pergola-System erzogen, sodass die Blätter die Trauben vor stärkeren Schäden schützten, doch Lichtmangel ließ die Trauben nicht richtig ausreifen. Wir mussten diese Beeren sorgfältig aussortieren und Ertragseinbußen hinnehmen, doch nach abgeschlossener Gärung bestachen die Weine durch Klarheit und eine messerscharfe Brillanz.

Unsere Entscheidung, den Manzoni Bianco zu ernten, fiel auf Anfang September, also verhältnismäßig früh. Die Trauben zeigten Ende August noch eine sehr gute Säure. Der Zeitpunkt für die Ernte hätte besser nicht sein können: Frische und phenolische Reife waren optimal ausbalanciert und die Gärung verlief sehr gleichmäßig.

Eine Ernte mit Energie und Spannung

Beim Nosiola war es komplizierter. Hier haben wir uns schließlich entschieden, in zwei Etappen mit einer zweiwöchigen Pause zu ernten. Mit der früheren Ernte wollten wir die Frische so gut wie möglich bewahren und mit der späteren einen höheren Grad an Vielschichtigkeit erzielen. Zum heutigen Zeitpunkt zeigt die erste Ernte mehr Energie und Spannung, was ich für den Moment bevorzuge. Wir sind gespannt, wie sich beide Chargen entwickeln werden.

Ende Juli präsentierte sich der Teroldego als Folge der extrem regenreichen Monate noch relativ unausgeglichen und mit unterschiedlichem Reifegrad. Wir reduzierten den Ertrag um 20 % und schnitten grüne Beeren weg, wie sich später herausstellen sollte, eine gute Entscheidung. Leider haben wir bei Foradori und Sgarzon durch Hagelstürme weitere 20 % verloren. Die Reifung erfolgte langsam, obwohl der September warm war und es in der ersten Monatshälfte etwas regnete.

Die erste Lese brachte eine knackige Frucht. Die Trauben für den Morei wurden diesmal später gelesen und erinnern an einen kühlen Syrah aus Cornas, jene aus den Granato-Weinbergen waren allerdings sehr gesund.

Die Sgarzon-Trauben, von Botrytis und Hagel befallen, erlebten 2023 ein hartes Jahr, ähnlich wie 2021. Insgesamt kann man sagen, dass der Jahrgang 2023 von extremen Wetterbedingungen geprägt ist. Ich glaube, dass wir das in Zukunft öfter erleben werden.

Jetzt im HENRIS Magazin 03I24

Ähnliche Artikel