Bordeaux trifft Douro

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TEXT Thomas Sommer | FOTOS Prats&Symington

Einer der renommiertesten Winzer Frankreichs und der bedeutendste Portweinproduzent Portugals beschließen, gemeinsam einen trockenen Spitzenrotwein neuen Stils zu schaffen. Mit herausragendem Erfolg. Das Beste aus zwei Rotwein-Welten, entdeckt in einem der besten Restaurants Deutschlands.

Tiefe ohne Schwere, seidige Tannine: Blick in den Symington-Weinkeller

Der Platz zur Weinprobe ist ein ganz besonderer und legt ein Rendezvous der Spitzen nahe. Wir treffen uns zur Verkostung in den Räumen von Jan Hartwigs Restaurant Jan, einem der besten Restaurants Deutschlands – und das nur nach einem knappen Jahr Bestehen, seitdem der ausgezeichnete Koch sich entschlossen hat, den mutigen Weg der Selbständigkeit zu gehen. Auf der anderen Seite ein portugiesisches Weingut, das die Spitze der Rotweine erklimmen will und hierzu nicht nur sein historisches Wissens- und Bodenkapital ins Spiel bringt, sondern auch die Partnerschaft mit einem exquisiten französischen Weingut sucht.  Soviel vorab: Die Essensbegleitung war, nicht verwunderlich, ein Erlebnis. Und nun zum Wein. Ein Rückblick.

1999: Einer der renommiertesten Winzer Frankreichs, der ehemalige CEO von Château Cos d‘Estournel und der bedeutendste Portweinproduzent Portugals beschließen, gemeinsam einen trockenen Spitzenrotwein neuen Stils zu schaffen. Er soll die Kraft der Douro-Region mit der Eleganz und Finesse von Bordeaux vereinen, Tiefe ohne Schwere, Körper und Struktur ohne Plumpheit, Frucht ohne Opulenz, ausreichend Säure, Frische sowie seidige Tannine bieten. Dafür sollen Bordeaux-typische Vinifikationsmethoden auf Douro-typische Traubensorten bester Qualität angewendet werden, aus denen bis dato ausschließlich Portwein produziert wurde.

Ein hehres Ziel zweier erfolgreicher Produzenten. Heute kann man sagen, die beiden Weingüter haben alles richtig gemacht, inzwischen ist der von Bruno Prats und der Familie Symington erstmals im Jahr 2000 produzierte Chryseia zu einer Qualitätsmarke geworden. Der Wein gilt spätestens seit dem großartigen Jahrgang 2007 als eine der neuen Wein-Ikonen Portugals und hat wesentlich dazu beigetragen, die Douro-Region – seit Jahrhunderten für Portwein bekannt – auch als eines der weltweit besten Terroirs für trockene Rotweine zu etablieren.

Ein Gentlemen’s Agreement

Premium-Partner: Bruno Prats (links) und Rupert Symington. Sie verbindet ein tiefes Verständnis für Rotwein

Angefangen hat alles mit einem Handschlag: „Mit der Familie Prats gab es ein Gentlemen’s Agreement: Wir würden nur dann eine formelle Partnerschaft eingehen, wenn wir frühzeitig nachweisen, dass wirklich hochwertige Weine hergestellt werden können. Es war beiden Seiten klar, dass wir in unseren Weinbergen ausgezeichnete Trauben haben, um trockene Rotweine von höchster Qualität zu produzieren, aber das Know-how von Bruno Prats im Weinausbau brauchen, um sie in international ernstzunehmende Weine zu verwandeln“, sagt Rupert Symington, CEO der Symington Family Estates, im Rückblick auf den Beginn der Kooperation.

Balance zwischen Kraft und Eleganz

Der Chryseia zeigt, dass die historischen Weingärten und die traditionellen Rebsorten des Douro-Tales auch das Potenzial für Tafelweine höchster Qualität haben. Die önologischen Väter des Weins, Bruno Prats und Head Winemaker Charles Symington, sind sich einig: „Es gibt den Wunsch nach Spitzenweinen, die nicht aus den ‚klassischen’ Rebsorten produziert werden“, wie etwa Cabernet Sauvignon, Merlot, Pinot Noir oder Syrah.

Als Bruno Prats von den Symingtons zur Kooperation eingeladen wurde, brachte er die reiche Erfahrung von mehr als 30 Jahrgängen im wohl traditionsreichsten Weinbaugebiet der Welt – Bordeaux – mit und damit ein tiefes Verständnis für Terroir. Prats war zunächst einige Jahre auf Château Margaux gewesen und dann von 1970 bis 1998 Geschäftsführer von Château Cos-d’Estournel, einem der führenden Médoc-Weingüter. „Ich wollte in eine Region gehen, von der ich glaubte, dass es dort großes Terroir gibt, das sein wahres Potenzial aber noch nicht enthüllt hatte. Ich wollte Weine machen, die in ihrer Region ebensolche Meilensteine setzen, wie es Cos für Saint Estèphe war.“

Prats wird attestiert, nicht nur eine Nase für gutes Terroir, sondern auch für den richtigen Partner zu haben. Die Symingtons steuerten ihr Wissen und ihre lange Erfahrung mit den traditionellen Douro-Rebsorten und den besten Weinlagen zum Projekt bei, Bruno Prats sein Bordeaux-geschultes Gespür für Mazerationszeiten, Eichenfassreifung und die langsame Extraktion der eleganten, sanften Tannine aus den Beerenhäuten.

Diese Expertisen sind essenziell für den Chryseia, denn es ist keine kleine Herausforderung, im Douro-Gebiet trockene Weine mit Eleganz zu machen: Aufgrund des heißen Klimas neigen die Weine zu niedrigen Säurewerten. Dazu kommt: Werden zu viele Tannine zu rasch extrahiert, schmeckt der Wein schnell harsch und rau.

Doch Prats & Symington gelang es, die naturgegebene Ur-Kraft des Douro zu zähmen und mit Eleganz zu verbinden. Die Besonderheit von Chryseia ist seine Balance zwischen Kraft und Fruchtigkeit auf der einen sowie Eleganz, Finesse und Frische auf der anderen Seite.

Ein Besuch auf der Quinta de Roriz


Produziert werden Chryseia und dessen jüngere Geschwister – Post Scriptum und Prazo de Roriz – auf der historischen Quinta de Roriz. Die 1764 errichtete und 2009 von Prats & Symington übernommene Quinta ist eines der ältesten Douro-Weingüter und verfügt über exzellente Weinberge. Stolz und selbstbewusst thront sie am südlichen Flussufer, hat sie doch etwas Einzigartiges zu bieten: das Beste aus zwei Welten, die Synthese von Douro und Bordeaux.

Die außerordentliche Stellung der Quinta de Roriz erkennt man auch an ihrer Lage am Douro, die mit dem Wort „abgelegen“ zu beschreiben eine Untertreibung wäre. Das letzte Stück der Anreise ist eine abenteuerliche, um nicht zu sagen waghalsige Fahrt auf einer steilen, holprigen, nicht asphaltierten, einspurigen Straße. Die Haarnadelkurven und Ausweichmanöver mit entgegenkommenden Fahrzeugen erinnern an Szenen aus dem Film „Lohn der Angst“.

Es empfängt uns Miguel Bessa, der „Resident Winemaker“, wie es auf Englisch bei den Symingtons heißt, ein junger, zurückhaltender Mann, drahtig, volles Haar, dunkler Vollbart, Önologie-Studium, Auslandserfahrung. Er ist auf Roriz für das tägliche Geschäft zuständig und teilt sich die Verantwortung für die Weine mit Pedro Correia, Bruno Prats und Charles Symington, dem Head Winemaker der Familie.

Die Weinberge von Roriz bilden ein natürliches Amphitheater mit überwiegend nördlicher Ausrichtung und einem entsprechend kühleren Mikroklima: perfekt für die Produktion von trockenen Douro-Weinen. Ebenso endlos wie geschmeidig winden sich die mit Weinstöcken bepflanzten Erdterrassen – Patamares – den zum Douro hin abfallenden Hängen entlang. Auch die nicht terrassierten Weinberge weisen eine Steilheit von 30 Prozent und mehr auf. Das bedeutet: aufwendige Handarbeit, hohe Arbeitskosten, mit nur etwa 4.000 Kilo Trauben pro Hektar niedrige Erträge, aber auch hohe Traubenqualität.

Der Boden hier ist mit einem Humusanteil von nur 0,1 Prozent sehr karg und trocken, besteht hauptsächlich aus mürbem, teilweise zerbröseltem Schiefer, den die Wurzeln der Rebstöcke mühelos durchdringen und sich dann bis zum 20 Meter tiefer liegenden harten Fels vorarbeiten. Spuren von Zinn aus längst stillgelegten Minen auf dem Gebiet der Quinta fügen der Mineralität des Bodens eine spezielle Note hinzu.

Teilweise ist eine Tröpfchenbewässerung mit Schläuchen vorgesehen. „Aber nicht um den Ertrag zu steigern, sondern um die Weinstöcke bei extremem Trocken- und Hitzestress zu unterstützen“, erklärt Bessa. Um zu überleben, würden die Reben in so einer Situation die Photosynthese einstellen, die Entwicklung der Trauben wäre unterbrochen, die Wachstumsperiode verliefe unregelmäßig, die Qualität der Weine würde leiden.

Gute Trauben und gute Leute

Die beiden Leitsorten für die P + S-Weine sind die etwas früher reifende Touriga Nacional auf den kühleren Hängen und die später reifende, besser hitzeverträgliche Touriga Franca in den wärmeren Parzellen. „Wir ernten die Trauben selektiv in zwei bis drei Durchgängen, zum jeweils besten Zeitpunkt“, erklärt Bessa. Und ebenso wichtig: Die Trauben für Chryseia müssen von Reben kommen, die mindestens zehn bis 15 Jahre alt sind.

Die historische Quinta de Roriz wurde 1764 errichtet. 2009 übernahmen Prats & Symington das Weingut

Nach strenger Selektion von Hand am Sortiertisch werden die Trauben vollkommen entrappt, nur sanft gequetscht und dann eher kühl in temperaturkontrollierten Stahltanks vergoren, der Maischekuchen zur Extraktion der Tannine regelmäßig überpumpt. Man vinifiziert die Trauben jeder Parzelle separat und legt dann die Weine zur Reifung ins Holz, mindestens 75 Prozent der Fässer sind neu, der Rest ist gebraucht. Nach der Reife verschneiden Miguel Bessa und sein Team die einzelnen Weinpartien und lagern die fertige Cuvée dann noch etwa zwei Monate im Stahltank – zur besseren Integrierung. Der Önologe arbeitet ständig am Finetuning der Vinifikation und der Reifung. Aber trotz aller Technik: „Um Spitzenweine zu produzieren, braucht man vor allem zwei Dinge: gute Trauben und gute Leute“, so Miguel. Er benennt damit die beiden zentralen Erfolgsfaktoren der Symingtons.

Entsprechend ihrer „Bordeaux trifft Douro“-Philosphie sind Prats & Symington-Weine elegant, geschliffen und sanft. Ihre Trauben werden etwas früher geerntet, und sie bieten – etwa im Vergleich zu den ur-authentischen Rotweinen der Symington-Quinta do Vesuvio – eine eher „internationale“ Stilistik und Charakteristik. Dennoch gilt: In den P + S-Weinen soll stets ihre Herkunft und das besondere Terroir des Douro bewahrt werden und erkennbar bleiben: Nicht zufällig ist „Chryseia“ der griechische Name für den Douro.

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Zahlen & Fakten zu Prats & Symington

• Region: Douro
• Weinbaufläche: 42 ha auf der Quinta de Roriz, weitere 23 ha auf der nahe gelegenen Quinta da Perdiz
• Höhenlage und Exposition der Weinberge: 90 bis 260 m, Norden, Nordwesten, Nordosten; kühlere Lage: vor allem in heißen Jahren und angesichts des Klimawandels ein großer Vorteil

• Böden: vorwiegend Schiefer, mit Einschlüssen von Zinn und Gold aus alten Minen im Bereich der Quinta de Roriz

• Rebsorten: Touriga Nacional, Touriga Franca, Tinta Roriz, Sousão, Tinta Barroca und weitere, als gemischter Satz gepflanzte Sorten

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Die Weine von Prats & Symington

• Chryseia

Ein Pionierwein und mittlerweile eine Ikone der modernen, trockenen portugiesischen Weine, international bekannt und stark nachgefragt, von Kritikern regelmäßig mit einer Punkteanzahl jenseits der 90 bewertet.
Cuvée aus Touriga Nacional (stets mehr als 50 %) und Touriga Franca. 14 Monate in 400-l- Fässern aus französischer Eiche.

Feine, komplexe Nase, florale Noten, dunkle Beeren, konzentriert und kräftig, gleichzeitig sehr elegant, fein, subtil, frisch, lebendig, finessenreich.

• Post Scriptum

Der „Zweitwein“ zeigt bereits viel Roriz-Terroir und den typischen P + S-Fingerabdruck (Kraft und Finesse gleichzeitig), hauptsächlich aus Touriga Nacional und Touriga Franca mit kleineren Anteilen anderer Sorten (Tinta Roriz, Tinta Barroca). Im Stil ähnlich wie Chryseia, aber aus jüngeren Reben derselben Weinberge und etwas kürzer – zwölf Monate – in 400-l- Eichenfässern aus Frankreich.

Ausdrucksvolle, frische und konzentrierte Frucht in Verbindung mit Balance und Eleganz. Ausgesprochen gutes Preis-Leistungsverhältnis, vielfältig einsetzbarer Speisenbegleiter.

• Prazo de Roriz

Der Einstiegswein von P + S, aus Touriga Nacional, Touriga Franca, Tinta Roriz, Tinta Barroca und anderen Sorten (als gemischter Satz gepflanzt). Sechs Monate in 400-l-Fässern aus französischer Eiche.
Fruchtbetont (Kirschen, Himbeeren), schöne Mineralität und ansprechende pfeffrige Würze, frische Säure, guter Trinkfluss, jung zu trinken, guter Speisenbegleiter.

• Quinta de Roriz Vintage Port 2016

Seit Hugo Prats und die Familie Symington zusammenarbeiten (1999), ist der 2016er- Jahrgang erst der zweite deklarierte Vintage Port von Roriz. Nur 4.680 Flaschen wurden abgefüllt.
Aus Touriga Nacional (Komplexität, wundervolle florale Aromen) und Sousão (Frische, Säure, Balance), sehr engmaschig, lineare Mineralität.

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