Neue Kolumne im Henris-Magazin
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TEXT Dr. Hannah Fink-Eder | FOTOS Gault&Millau Redaktion
Köstlich essen und trinken, vor allem aber gute Gespräche mit interessanten Leuten führen, das ist unsere neue Kolumne „Zu Tisch mit…“ – zum ersten Mal erschienen im aktuellen Henris-Magazin. Henris-Verlegerin Hannah Fink-Eder hat Smudo getroffen, den Texter und Rapper der Hiphop-Band „Die Fantastischen Vier“. Im Hamburger Restaurant Zeik unterhielten sich die beiden über Hip-Hop, Martinique — und darüber, was Kochen und Kunst gemeinsam haben.
Ich freue mich auf Smudo. Mein erster (zumindest Sicht-)Kontakt war ein Konzert in München anno 1996 im Nachtwerk. Mein zweiter persönlicher dann über 25 Jahre später in Baden-Baden bei der Aufzeichnung einer TV-Show. Aller guten Dinge sind drei, und ich bin gespannt auf diese dritte Begegnung bei unserem Abend für „Zu Tisch…“ mit Smudo.
19.25 Uhr, Restaurant Zeik in Hamburg. Wir treffen zeitgleich ein, nein, genau genommen ich eine Minute früher. Die Begrüßung ist herzlich, ungezwungen, ein guter Anfang, denke ich. Wir entscheiden uns für einen Tisch im hinteren Bereich des Restaurants, damit wir Ruhe haben für unser Gespräch. Da sitzt er nun, relaxed und ohne seine bekannte Cap, mit markantem schwarzem Brillengestell und schwarzem Hemd. Er beginnt zu erzählen: sehr viel, sehr schnell, sehr versiert – da erkennt man den Profi im Sprechgesang.
Wer ist Smudo – Musiker, Schauspieler, Moderator?
Küchenchef Maurizio Oster startet mit einer Zwiebel-Variation, eine Hommage an diese außergewöhnliche und älteste Kulturpflanze der Menschheit. Von einer delikaten Zwiebel-Essenz über eine Tartelette mit rotem Zwiebelkompott bis hin zu einem Berliner mit schwarzer Zwiebelfüllung, entfaltet dieses köstliche Gemüse seine Aromen in all seiner Vielschichtigkeit. Vielschichtig, ein perfekter Übergang zu unserem Gespräch: Wer ist Smudo? Musiker, Schauspieler, Synchronsprecher oder Moderator? Er betrachtet sich, durchaus bescheiden, ganz profan als Unterhaltungskünstler und erzählt von den Anfängen, als die Band noch in kleinen Hallen spielte, ausgestattet mit Mikrofonen, Beats und einem Plattenspieler. Er spricht über die Herausforderungen, deutschen Hip-Hop auf die großen Bühnen zu bringen. Smudo spielt eigentlich kein Musikinstrument. Doch man spürt seine Faszination für die Komposition aus Beats, Plattenspielern, Worten und Schlagzeug. Alles mit dem Ziel, das Publikum bei den Auftritten vom ersten Ton an in seinen Bann zu ziehen.
Vor lauter Erzählen kommt er kaum zum Essen
Auch das Zeik und Maurizio wollen uns von Anfang an begeistern – die nächsten Amuse-Gueules folgen in atemberaubendem Tempo, dazu gibt es einen 2021 Tempranillo Blanco von Paco Garcia aus dem Rioja, Zitrusfrüchte, unaufdringliche Eichennote. Smudo kommt vor lauter Erzählen fast nicht zum Essen und Trinken. Er zieht eine Parallele zwischen Musik und einem aufwendigen Gericht: Beides ist Kunst. Eine kreative Idee im Kopf, die es gilt, entweder ins Mikrofon oder auf den Teller zu bringen. Ein Gericht aus seiner Kindheit? Flinsen (auch bekannt als Eierkuchen, Palatschinken oder Pfannkuchen). Damals immer mit einer halben Banane, Apfelmus, Zimt und Zucker sowie Zitronensaft. Es gibt Gerichte, die sich von Generation zu Generation weitervererben, und dies ist eines davon. Selbstverständlich sind auch seine Kinder bereits auf Flinsen mit Zimt und Zucker konditioniert.
Delikate Kreationen aus der Küche
Die gegrillte Jakobsmuschel auf Topinambur-Ragout bringt uns wieder an den Tisch mit den delikaten Kreationen aus der Küche. Kurz gegrillt verführt sie mit einer mild-nussigen, rauchigen Herzhaftigkeit, die wunderbar mit der leicht-süßen Säure des Birnengelees harmoniert. Ein wahrer Genuss. Die Weinbegleitung bietet Entdeckungen und Bekanntes, von Bassermann-Jordan mit einem 2022 Grauer Burgunder Orange bis hin zu einem Blaufränkisch aus dem Burgenland vom Weingut Thom Wachter, 2020 Eisenberg DAC Reserve.
Wir schweifen, Jakobsmuschel-südlich gestimmt, ab und Smudo erzählt von seiner Zeit auf Martinique: Krebse, Kokosnüsse, Bananen und Gewürze haben ihn beeindruckt. Ebenso wie der dort vollzogene Kreativ-Workshop „Der Weg Des Künstlers“ (Buch von Julia Cameron). Eine Lektion war das Nachkochen alter Lieblingsgerichte aus der Kindheit. Hier: Schinkenudeln. Bandnudeln in Sahne und Ei und Kochschinken als Auflauf mit Apfelmus. Vor meinem inneren Auge entsteht ein Bild: Smudo mit Cap und Sonnenbrille, in Badeshorts an einem Fischerstrand auf Martinique, bei sengender Hitze über seinen Teller Schinkennudeln gebeugt, der Kindheit in der Heimat so nahe. Ein Moment zum Schmunzeln.
Texten, proben und kochen in der Hütte in Vorarlberg
Als wir uns der Ente zuwenden – auch hier erleben wir eine Fülle an Raffinesse und Vielfalt – erzählt er ein wenig vom Innenleben der Band. Dass den Mitgliedern die gemeinsamen, konspirativen Treffen fehlen, seitdem sie alle verstreut über ganz Deutschland leben. So kam eine Hütte in Egg in Vorarlberg ins Spiel. Dort trafen sie sich zu gemeinsamen Arbeitssessions. Hier wurde getextet, geprobt und natürlich zusammen gekocht. Kochen ist nicht erst seit damals ein wichtiger Teil im Leben des Unterhaltungskünstlers geworden, der mit Frau und drei Kindern in Hamburg lebt.
Auf den Kaffee verzichten wir und genießen zum Dessert einen 1999 Riesling Spätlese Weingut Lenhardt, Mehringer Blattenberg. Schon immer endeten die gemütlichsten Abende in der Küche; und so nehmen wir unsere Gläser und ziehen um in die heiligen Hallen von Maurizio und seinem Team. Hier erlebe ich einen äußerst interessierten und begeisterten Smudo, der in jeden Topf schaut, jedes Detail wissen will. Der Abend hätte noch Stunden weiter gehen können, womöglich inklusive Hangover-Effekt, wenn nicht der nächste Tag für beide früh beginnen würde. Für Smudo schon um 6.30 Uhr mit der Pausenbrot-Vorbereitung.
Und frei nach einem Fanta 4-Song verabschiede ich mich: „Dankeschön, es war schön, aber hey, irgendwann ist eben Zeit zu gehen…“
MFG Hannah