Vergangene Woche gab es in Kaltern eine besondere Premiere: Erstmals wurde mit der Anteprima der neue Kalterersee Wein 2023 vorgestellt. Die Winzer präsentierten ihre Weine im Puntay Keller der Kellerei Kaltern. Wir waren von der Vielfalt der vorgestellten Weine beeindruckt, das Jahr 2023 hat hervorragende Erzeugnisse beschert, soviel war bei der Anteprima erlebbar.
Jetzt teilen
TEXT Gault&Millau Redaktion | FOTO Immagini Anteprima Kalterersee
Otto Geisels Notizen hierzu:
Warum nach Bordeaux, der Toskana und Piemont nun auch eine frühe Jahrgangs-Premiere in Kaltern? Ganz einfach, weil die Charta-Gemeinschaft der festen Überzeugung ist, dass gerade der Kalterersee, aufgrund seiner Beschaffenheit und jugendlichen Ausstrahlung, dazu prädestiniert ist eine frühe Jahrgangs-Prognose abzugeben, früher als das bei konzentrierten, von neuem Eichenholz geprägten Weinen aus anderen Regionen möglich ist! Und: Weil es nie zu früh sein kann über Weingenuss zu sprechen. Dies führt immer und ganz direkt zu den Weingärtnern, deren Arbeit viel Wissen voraussetzt und mindestens genau so viel Liebe zum Detail benötigt. Was oft auch den Verzicht auf den schnellen wirtschaftlichen Erfolg bedeutet und somit einen durchaus philosophischen Gedankenansatz nahelegt.
Kommen wir zum Wein: Was macht ihn heute in einer Weinwelt, die mehr denn je von komplett abgehoben, höchstpreisig gehandelten Rotwein-Dickschiffen geprägt ist, so einzigartig? Sicherlich ist seine beschwingte Leichtigkeit bei gleichzeitiger Bodenständigkeit und das nicht nur preislich, sondern ganz besonders durch seine Verwurzelung im Herzen der Alpen. Die Kalterersee prägende Rebsorte Vernatsch ist daher eben auch kein Exportschlager wie die vorgenannten Cabernets, Merlots und Sauvignons, die ihre internationalen Konkurrenten durch Kraft und Konzentration, durch ultraschwere Flaschen und eben auch durch abgehobene Preise in die Schranken weisen und ihre etikettengläubigen Konsumenten beeindrucken müssen. Der Kalterersee ist ganz einfach der sympathisch bodenständige Gesprächsbegleiter am Bar-Tresen geblieben und hat sich gleichzeitig als topmoderner Rotwein, der universell einsetzbar und trotzdem einzigartig ist, weiterentwickelt. So erleben vor allem scheuklappenfreie Genießer diese lokale Besonderheit nicht nur zu Schlutzern und Knödeln, sondern auch zur japanischen, indischen wie thailändischen Küche und dabei immer kongenial begleitend, ohne sich in den Vordergrund zu spielen.
Aus der anspruchsvollen und äußerst arbeitsintensiven autochthonen Rebsorte Vernatsch, entstehen hier unter der Ägide der Charta-Winzer hochwertige Rotweine, die in ihrer geheimnisvollen Aromatik und beschwingten Finesse unnachahmlich und somit weltweit einzigartig sind. Die Qualität der Charta-Weine hat sich in den letzten Jahren immer weiter nach oben geschraubt, weshalb nun der Zeitpunkt gekommen ist, das gesamte große Potential aus dem Zusammenspiel eines einzigartigen Terroirs und der hier ansässigen autochthonen Rebsorte Vernatsch zu heben.
Dabei geht es nicht allein darum, was typisch erscheint, denn was gut ist, definiert sich von Generation zu Generation neu. Die Kalterersee-Charta ist und bleibt dabei ein Qualitätsversprechen für alle Weinfreunde und Weinfreundinnen sowie gleichzeitig eine hohe Selbstverpflichtung der Kalterersee-Produzenten für bestes Winzer-Handwerk.
Otto Geisel ist Leiter des Gault&Millau Expertenrates. Seit 1964 ist Völs am Schlern sein zweites Zuhause. Dort erlebt er das Dilemma von Preisdruck und Mengenproduktion im Weinbau weit über die Kalterer Grenzen hinaus sowie die Südtiroler Neuausrichtung mit Cabernet, Merlot, Sauvignon & Co in den 1980ern hautnah.