Im Schweinsgalopp ins Spitzenrestaurant

Die besten Erzeuger Deutschlands: Hofgut Silva

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TEXT Nick Pulina | FOTOS Hofgut Silva

Klein, wuselig und im Farbspektrum irgendwo zwischen Rotbraun und Schwarz angesiedelt: So präsentieren sich die zirka 150 bis 180 Tiere, die rund um Judith Wohlfarths Hofgut im badischen Oberkirch-Hesselbach leben. Hier im Renchtal, mitten in der wunderschönen Ortenau, züchtet die 36-Jährige Schweine, die wenig mit den schwerfälligen, übermästeten Tieren zu tun haben, die leider nach wie vor den Hauptteil des weltweit verbrauchten Schweinefleisches liefern. Die altenglischen Rasseschweine, die sich hier am Hofgut Silva tummeln, werden unter bestmöglichen Bedingungen gezüchtet, aufgezogen und schließlich auch geschlachtet. Dies alles zusammen ergibt eine Fleischqualität, die nicht nur namenhafte Haubenköche beeindruckt. Für uns gehört das Hofgut Silva zu den besten Erzeugern Deutschlands.

Irgendwo zwischen Kastanienhainen, Streuobstwiesen und dem munter plätschernden Hesselbach liegt ein malerisches und durchaus Eindruck erweckendes Fachwerkhaus – das Hofgut Silva. Benannt nach dem lateinischen Wort für ‚Wald‘, denn das ist die prägende Geländeart vor Ort, sticht die hier betriebene Landwirtschaft aus dem regionalen Standard hervor: Schweinezucht statt Weinbau, und dann auch noch in diesem von Steillagen und markanten Hügeln geprägten Gelände. Doch so unwegsam dieses auch erscheinen mag, Judith Wolfarths Tiere könnten sich wohler kaum fühlen. Als sie und ihre Mutter im Jahr 2008 das Hofgut samt Grundstück übernommen hatten, war für die beiden schnell klar, was sie hier machen wollten: „Als wir die Flächen gesehen haben – viel Wasser, Wald, Streuobstwiesen – dachten wir uns: Es gibt hier schon einige gute Rindererzeuger, aber kaum jemanden, der sich mit artgerechter Schweinehaltung befasst. Und da wir zuvor auch schon einmal Wildschweine hatten, waren wir uns recht schnell einig.“

Ursprünglich als Alterssitz für Wolfarths im vergangenen Jahr verstorbene Mutter Ursel geplant, renovierte das Duo den Landsitz, umzäunte das gesamte (heute zirka 18 Hektar umfassende) Gelände, und machte sich dann an die Auswahl geeigneter Rassen. Denn nicht jedes Schwein kann es aufnehmen mit den steilen Hängen des Hofguts. Und natürlich spielte auch die Zucht selbst eine Rolle: „Wenn es um seltene Rassen geht, steht oft das Problem von Inzucht im Raum. Das wollten wir unbedingt vermeiden“, sagt Judith Wolfarth. „Außerdem brauchten wir Tiere mit ausreichend langen Beinen, damit sie auf dem hügeligen Gelände nicht ständig umkippen. Das klassische deutsche Hausschwein wäre zum Beispiel viel zu groß und behäbig für diese Gegebenheiten.“

Also entschied sich das Mutter-Tochter-Gespann für die alten englischen Rassen Tamworth und Berkshire. Erstere fallen mit ihren rotbraunen, von dunklen Flecken durchzogenen Borsten optisch am meisten auf. Sie sind zwar recht klein und schlank, dafür aber äußerst wendig – ein direkter Nachkömmling der Wildschweine. Wenngleich sie eher als gute Weideschweine gelten, haben sie sich im Renchtal prima eingelebt. Sie wachsen Seite an Seite mit den hauptsächlich schwarzen, mit einigen weißen Flecken gezeichneten Berkshire-Schweinen auf. Die Zeugnisse über diese alte Rasse reichen bis ins späte 18. Jahrhundert zurück. Als keine geringere als Queen Victoria selbst sich eine Herde Berkshire-Schweine hielt, gelangte die Rasse zu regelrechter Berühmtheit. Aufgrund der katastrophalen Versorgungslage nach dem Zweiten Weltkrieg wurden die langsam wachsenden und vergleichsweise zierlichen Tiere jedoch immer seltener und zusehends bedrohter. Ein Grund mehr für Judith Wohlfarth, sich dieser Rasse mit dem dunklen, aromatischen Fleisch zuzuwenden.

Studiert hat sie einst BWL, danach in einer Bank gearbeitet, als Unternehmensberaterin. Mittlerweile ziert zusätzlich ein erfolgreich absolviertes Masterstudium in Ökologischem Landbau ihre Vita. „Als meine Mutter und ich den Hof soweit hochgezogen hatten, musste ich mich irgendwann entscheiden: Entweder ich mache meinen Job in der Bank richtig oder ich mache meinen Job auf dem Hof richtig. Beides nur halb zu machen, kam für mich nicht infrage. Und da habe ich eben auf mein Herz gehört.“ Und so begann der Siegeszug des Hofguts Silva. Innerhalb weniger Jahre haben Mutter und Tochter den zunächst etwas in die Jahre gekommenen Hof komplett umgekrempelt, neben der äußerst erfolgreich laufenden Schweinezucht auch noch eine Hühnerzucht anlaufen lassen und sich zu einem gern gesehenen Produktlieferanten in der Spitzengastronomie gemacht. Und all das, ohne die eigene Philosophie zu verraten.

Den Tieren soll es gutgehen, sie sollen so natürlich wie möglich aufwachsen, ‚Mast‘ war seit Anbeginn ein Fremdwort für die beiden Landwirtinnen. Die Herde ist das ganze Jahr über draußen, die Fütterung erfolgt ausschließlich mit einer Mischung aus Getreide, Hülsenfrüchten und einigen die Verdauung anregenden effektiven Mikroorganismen. Bei Ferkeln kommt gegebenenfalls noch etwas Milchpulver hinzu. Darüber hinaus können die Schweine nach Herzenslust futtern, was die hiesige Natur ihnen bietet: das Obst der Streuobstwiesen, heruntergefallene Kastanien und Bucheckern, Wurzeln, kleine Tiere und vor allem viel, viel Gras.

Doch auch das glücklichste Schweineleben muss einmal zu Ende gehen. Je nach Geschlecht des Tieres dürfen sie zwischen rund acht Monaten und zwei Jahren alt werden, die Säue etwas älter als die Eber, das hängt mit der durch deren ausbleibende Kastration einsetzende Geschlechtsreife zusammen. Seit Mai 2021 erfolgt die Schlachtung nicht mehr in einem externen Schlachtbetrieb, sondern im eigens dafür errichteten Schlachthaus direkt auf dem Hof. „Ich bin keine gelernte Metzgerin“, sagt Judith Wolfarth, „dementsprechend habe ich ein vierköpfiges Team aus kompetenten Metzgern, die für mich auf Aushilfsbasis die Schlachtungen vornehmen.“ Durch den Wegfall der Transportwege, moderne Betäubungstechniken und die bis zum Schluss präsenten bekannten Gesichter wird den Tieren ein möglichst leidarmes Ende bereitet, zwischen sechs und zehn Stück sind das alle zwei Wochen. Nach der Schlachtung erfolgen sämtliche weiterverarbeitenden Schritte direkt auf dem Hofgut. Die Tiere werden zerteilt und in die bekannten Zuschnitte gebracht oder zu Wurst, Schinken und anderen Delikatessen verarbeitet.

Das Fleisch von Judith Wohlfarths Schweinen ist etwas Besonderes. Es ist tendenziell fetter, als man erwarten würden. Beide auf dem Hofgut aufwachsenden Rassen sind schon rein genetisch nur für Freilandzucht geeignet. Durch den permanenten Kontakt mit der Umwelt und deren klimatischen Bedingungen lagern die Berkshires und Tamworths viel Fett direkt im Muskelgewebe, aber auch eine klassische Schwarte an. Dieses Fett gibt dem Fleisch allerdings erst sein charakteristisches, leicht wildes Aroma. Außerdem trägt es dazu bei, das durch den weiten Auslauf gut trainierte Muskelgewebe beim Garen saftig zu halten. Wobei es selbst so bissfest bleibt, dass es ein wahrer Genuss ist, das Fett genauso wie das Fleisch mitzuessen. Alles andere widerspräche auch dem Grundsatz der Erzeugerin: „Kein Tier lässt sich so gut komplett verzehren wie das Schwein. Von den Füßen über den Kopf bis zum Schwanz kann alles wunderbar beim Kochen verwendet werden. Warum sollte man da etwas wegwerfen?“

Wer sich selbst ein Bild von der herausragenden Qualität der Silvaschen Schweinefleisches machen will, kann im hauseigenen Onlineshop bestellen oder fährt direkt auf dem Hof vorbei. Einen Laden gibt es hier zwar nicht, aber auf telefonische Anfrage wird jederzeit und auch gern spontan reagiert. Judith Wohlfarths neuestes Projekt hingegen könnte die Delikatessen noch einmal näher an Genusswillige heranbringen: „Kürzlich haben wir in Gengenbach eine Metzgerei übernommen. Das war die letzte und einzige Metzgerei im Ort, der allein schon aufgrund des Tourismus viel besser angeschlossen ist. Ich suche eine Möglichkeit, wie wir mehr in die Zivilisation kommen.“ Hier soll nun in der nächsten Zeit eine Art Fleischboutique entstehen, die nicht nur das Fleisch von Wohlfarths Schweinen und Hühner feilbieten, sondern auch anderen Landwirten die Möglichkeit geben soll, ihr Fleisch von anderen Tieren anzubieten. Dass auch hierbei keine Kompromisse in Sachen Tierwohl und Produktqualität gemacht werden, versteht sich für die passionierte Landwirtin von selbst.

hofgut-silva.de

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