„Wir müssen unseren Bildungsauftrag erfüllen“

Die besten Erzeuger Deutschlands: Keltenhof

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TEXT Nick Pulina | FOTOS Keltenhof

Oftmals sind es die kleinen Dinge, die etwas erst zu dem machen, was es schlussendlich ist. Das gilt auch für die Komposition komplexer, komponentenreicher Gerichte in den Spitzenküchen dieser Welt. Seit einigen Jahren erfreuen sich besonders die kleinen, aber geschmacksintensiven Blättchen eigentlich groß wachsender Pflanzen hoher Beliebtheit. Durch den Einsatz so genannter ‚Micro Leafs‘ sind Köchinnen und Köche in der Lage, ihre Speise mit dem besonderen Aroma von Senf, Shiso, Pak Choi und anderem zu finalisieren, ohne davon große Mengen auf den Teller bringen zu müssen. Einer der deutschen Pioniere dieser Art des Anbaus ist Gerhard Daumüller. Auf seinem in Filderstadt bei Stuttgart gelegenen Keltenhof züchtet der Gärtnermeister mithilfe modernster Technik neben den kleinblättrigen Geschmacksbomben auch Salate und Blüten auf höchstem Qualitätsniveau. Für uns gehört der Keltenhof zu den besten Erzeugern Deutschlands.

„Ich nenne mich ja selber passionierter Pflanzenbauer“, sagt Gerhard Daumüller lachend. Man merkt ihm an, wie sehr er für seinen Beruf brennt, der für ihn eigentlich Berufung war. Schon als Jugendlicher wollte er in die Fußstapfen seines Vaters treten und Gärtner werden. So kam es dann auch. Im Jahr 1992 übernahm der Junior den zu diesem Zeitpunkt bereits fast 40 Jahre alten Hof von seinem Vater und begann schleunigst, seine eigenen Visionen umzusetzen. Während Gerhard Daumüller senior sich noch voll und ganz dem gemischten Gemüseanbau widmete, fasste sein Sohn, inzwischen ausgelernter Gärtnermeister und Landwirt, andere Pläne: „Ohne das in irgendeiner Form herablassend zu meinen, muss man sagen, dass es vom Anspruch her ja deutlich einfacher ist, Kohl zu produzieren, als Blüten oder Kräuter. Und eben dieser höhere Anspruch hat mich gereizt. Die Aufgabe ist kreativer, man kann sich um einiges mehr entfalten als im klassischen Gemüsebau.“

Gesagt, getan. Nachdem Sohn Gerhard den Betrieb 1993 auf Integrierten Anbau umgestellt hatte, begann der wahre Umbruch im Jahr 1996 mit umfangreichen Baumaßnahmen. Im weitesten Sinne verdankt der Keltenhof dieser Zeit auch seinen Namen: „Normalerweise benennt man seinen Hof ja nach einem Gewann, einem Bach, einer Lage oder Ähnlichem. Nun wurde aber bei den Aushubarbeiten für unsere neuen Gebäude ein altes Skelett entdeckt, das als keltisch identifiziert wurde. Von dem Zeitpunkt an wurde ich in der Stadt häufiger angesprochen, von wegen ‚du mit deinem Keltenhof da draußen‘. Dabei sind wir dann geblieben“, sagt Daumüller lachend.

Doch weder der archäologische Fund noch der Name des Hofes stehen emblematisch für die Arbeit vor Ort. Moderne Kühlsysteme, Beregnungsfahrzeuge, Trocknungsmaschinen – Gerhard Daumüllers Art der Bewirtschaftung zeigt, dass Technisierung und zeitgemäße Arbeitsformen längst nicht immer mit einer Industrialisierung des Betriebs einhergehen müssen. Auf dem Keltenhof weiß man sehr genau, wie sich mit technologischer Hilfe Prozesse zwar auch ökonomisch, aber vor allem qualitativ optimieren lassen, ohne dabei dem Unternehmen seiner Seele zu berauben; große Nähe zum Produkt und Liebe zum Detail sind hier mindestens ebenso wichtig. Und doch ist es Daumüller heute so beispielsweise möglich, aufgrund einiger maschineller Aufstockungen seine Produkte küchenfertig, also gewaschen und geputzt, vom Hof gehen zu lassen: „Darin steckt natürlich noch immer viel Handarbeit, aber eben auch das Zutun einiger moderner Systeme. Gerade das Waschen filigraner Salate ist sehr komplex, da braucht es schon ganz tolle Spezialmaschinen.“

Die Kunden, seien sie in der Gastronomie angesiedelt, im hochwertigen Lebensmitteleinzelhandel oder qualitätsbewusste Endverbraucher:innen, danken es ihm und seinem Team. Alles in allem sind auf dem Keltenhof über das Jahr rund 70 Arbeitskräfte beschäftigt: „Mein Kernteam bilden sechs Gärtner und in Büro und Produktion sechs Arbeitskräfte mit gastronomischem Hintergrund. So haben wir ein ganz schönes Know-how zusammen. Aber gerade zur Erntezeit sind wir dankbar für jede helfende Hand. Besonders für zarte Salate und Micro Leafs können und wollen wir gar nicht auf Handarbeit verzichten.“

Bei der Menge an unterschiedlichen Produkten und Produktmischungen, die der Keltenhof seinen Kund:innen anbietet, ist dieses Heer an Arbeitskräften nicht verwunderlich. „Im Anbau haben wir knapp 60 verschiedene Pflanzen. Die verkaufen wir teilweise solo, aber eben auch in unterschiedlichen Salatmischungen. So ergeben sich schlussendlich rund 100 Artikel, die wir in unserem Sortiment führen“, sagt Daumüller.

Doch es ist nicht die schiere Masse, die sich der 55-Jährige als Ziel gesetzt hat, sondern die höchste Qualität. Der selbstgesetzte ‚Keltenhof-Standard‘ liege weit über dem, der beispielsweise für eine EU-Bio-Zertifizierung eingehalten werden müsse, so Daumüller. „Seit dem Start unseres Projekts haben wir auf das Vertrauen unserer Abnehmer gesetzt. Und für die zählt nicht das, was auf einem Siegel steht, sondern das, was wirklich getan wird. Wir arbeiten sehr transparent, laden regelmäßig zu Veranstaltungen ein, auf denen sich jeder selbst ein Bild von unserer Landwirtschaft machen kann. Und auch mit unseren Lieferanten aus Südeuropa verbindet uns eine lange, vertrauensvolle Freundschaft.“

Wer sich nun fragt, wofür ein in Deutschland ansässiger Agrarbetrieb Lieferanten aus Südspanien, Portugal und Italien braucht, sollte sich an die vergangenen Monate erinnern. „Wir bevorzugen, wo immer es möglich ist, unsere Pflanzen im eigenen Freilandanbau wachsen zu lassen. Das erzeugt eine bessere Farbe und Haptik sowie einen intensiveren Geschmack. Damit wir diese Qualität auch während der Wintermonate gewährleisten können, arbeiten wir mit einer Handvoll Erzeuger in den wärmeren Gebieten Südeuropas zusammen – zum Großteil schon seit Beginn der 1990er Jahre.“ Je nach Produkt und Klima- wie Wetterbedingungen müssen pro Jahr zwischen vier Wochen und vier Monaten ausgeglichen werden. Ein Großteil der Produkte kann allerdings inzwischen bereits ganzjährig in Filderstadt produziert werden.

Daumüllers Herzensprojekt besteht neben der Arbeit auf seinem Hof vor allem in der Vermittlung seiner Erfahrung und Erkenntnisse an neue Generationen. „Wir müssen unseren Bildungsauftrag erfüllen“, sagt er. „Der Verbraucher ist mündig, aber der Lebensmitteleinzelhandel bietet das an, was gut läuft. Am Regal stirbt die Moral. Auch wer ein guter Mensch sein und nachhaltig leben will, greift nicht unbedingt zum teureren Produkt. Und da müssen wir ansetzen, möglichst früh.“ Sein Beitrag zu dem Thema besteht – neben der umfangreichen Auseinandersetzung mit dem Thema Nachhaltigkeit bei Bewirtschaftung und Verpackung – in der Wissensvermittlung, beispielsweise mithilfe von Kräuterkursen in Berufs- und Hotelfachschulen. „Das ist die große Chance, wenn man eine Manufaktur führt: Man kann mit den Menschen sprechen. Und erst über das Erzählen und Vermitteln erreichen wir wirklich das Verständnis für gute Produkte.“

keltenhof.com

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