„Ich war selbst der größte Fan von Georgia Ramon“

Die besten Erzeuger Deutschlands: Georgia Ramon

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TEXT Nick Pulina | FOTOS Leah Bethmann

Peru, Brasilien, Panama, Haiti, Belize, Guatemala, Honduras, Mexiko, die Philippinen, Bali und Tansania: Was klingt wie die Zwischenziele einer äußerst ambitionierten Kreuzfahrt, sind in Wahrheit einige der wichtigsten Kakaoproduzenten der Welt. Rund um den Äquator finden sich die Länder mal mit größerer, mal mit kleinerer Anbaufläche für die braunen Bohne. Und auch wenn dort überall sehr ähnliche Früchte wachsen, haben sie doch jeweils ihr ganz eigenes Geschmacksprofil. Dieses zu bewahren und in einer möglichst breiten Palette seinen Kunden zugänglich zu machen, ist das Ziel von Chocolatier Phillip Butzmann. Als Nachfolger von Georg Bernardini und Ramona Gustmann leitet er seit Ende 2020 die Schokoladenmanufaktur Georgia Ramon in Siegburg, wo er neben herkunftsorientierten Bean-to-bar-Schokoladen auch erfolgreiche Experimente mit dem Rohstoff Schokolade in Kombination mit teils ungewöhnlichen Zutaten wagt. Für uns gehört Georgia Ramon zu den besten Erzeugern Deutschlands.

Schniefen, Schnäuzen, Tränen in den Augen. Um diese Reaktionen durch den Genuss eines Stückchens Schokolade hervorzurufen, braucht es schon ein echtes kulinarisches Erleuchtungserlebnis. Oder man macht es wie Phillip Butzmann und hilft mit ein bisschen Pulver von der Carolina Reaper – laut Guinness-Buch die schärfste Chili der Welt – nach. Das Erstaunliche dabei: Ein Erleuchtungserlebnis ist es dennoch allemal! Trotz der zwar überaus präsenten, eher wohlig warmen als stechenden Schärfe, die sich schnell im gesamten Mundraum verteilt, strahlt die mit 70 Prozent Kakaoanteil daherkommende Schokolade einen intensiven und ganz eigenen Geschmackscharakter aus, der von der Schärfe nicht überdeckt, sondern sogar gefördert wird. Ein Meisterstück für sich, und gerade einmal eine der 32 qualitativ wie aromatisch einzigartigen Schokoladen, die sich zurzeit im Sortiment von Georgia Ramon finden.

Bei aller Inspiration, die Butzmann bei der Kreation neuer Sorten wie Himbeer-Rose (aromatisch noch vielfältiger als es ohnehin schon klingt!) Yuzu (in aller Munde, dennoch spannend!) oder Rote-Bete-Kokosnuss (der einmalig sahnige Geheimtipp für Veganer!) unter Beweis stellt, bilden die puristischen Bean-to-Bar-Schokoladen das Herz des Portfolios, wenn nicht gar des gesamten Unternehmens. Gegründet wurde dieses im Jahr 2015 von Georg Bernardini und seiner Lebensgefährtin Ramona Gustmann, damals noch in Bonn-Oberkassel. Bernardini, der sich bereits zuvor als Fachautor („Der Schokoladentester“) einen Namen gemacht und in diesem Rahmen die Schokoladen der Welt verkostet und beschrieben hatte, war schon zu diesem Zeitpunkt alles andere als ein Branchenneuling. Als Mitbegründer der Firma Coppeneur et Compagnon brachte der gelernte Konditor schon eine Fülle an Erfahrungen mit in seine neue Firma, mit deren Hilfe er und Gustmann Georgia Ramon schnell zu einer Institution auf dem deutschen Schokoladenmarkt aufbauen konnten. Dieses Engagement wurde unter anderem im Jahr 2017 mit dem „Best international Newcomer“-Award der Academy of Chocolate ausgezeichnet.

Seit 2020 heißt der Chef nun Phillip Butzmann. Auch er ist gelernter Konditor, konnte sich mit dem frühen Aufstehen allerdings nie so richtig anfreunden. Auch das Studium der Lebensmitteltechnologie offenbarte sich nicht direkt als geeignete Lebensaufgabe: „Mir liegt das Handwerk einfach mehr.“ Ein zweimonatiges Praktikum bei Georgia Ramon war es schließlich, welches den jungen Konditor endgültig packte. „Am Ende des Praktikums habe ich zu Georg gesagt: ,Das, was du hier machst, das will ich eigentlich auch machen‘. Danach habe ich dann erst mal alle Weichen auf Selbständigkeit gestellt und wollte nach einem Auslandssemester in Schweden eine eigene Firma gründen. Dann kam völlig überraschend der Anruf von Georg, ob ich nicht das Unternehmen übernehmen möchte. Darüber habe ich noch eine Nacht geschlafen und dann sofort zugesagt. Ich war selbst der größte Fan von Georgia Ramon.“

Auch wenn die Produktion aus privaten Gründen recht unerwartet die Führung wechselte, standen Bernardini und Gustmann ihrem Nachfolger noch über ein Jahr begleitend und beratend zur Seite. Butzmann, der sich unterdes an der ZDS in Solingen noch zum zertifizierten Chocolatier hatte ausbilden lassen, ist es nun, der die Philosophie von Georgia Ramon in die Zukunft trägt. Und diese liegt ihm ebenso am Herzen wie den beiden Gründer:innen. Auch unter seiner Führung wird ausschließlich sogenannte Bean-to-Bar-Schokolade hergestellt. Das bedeutet, dass von der noch ungerösteten Kakaobohne über das Mahlen und Mischen bis zum Gießen der schlussendlichen Tafel jeder Arbeitsschritt in demselben Unternehmen durchgeführt wird. „Es ist ein bisschen wie mit Kaffeeröstereien in den letzten Jahren“, sagt Butzmann. „Mit der Zeit entstand auch da ein immer größeres Bewusstsein für die Herkunft des Kaffees und dessen unverfälschtes Aroma, das sich eben je nach Region unterscheidet. So ist auch für uns vor allem der Rohstoff interessant, die Kakaobohne. Wenn in der Industrie fertige Schokolade zugekauft und nur noch weiterverarbeitet wird, geht unglaublich viel verloren.“

Neben den geschmacklichen Aspekten, die diese Herstellungsweise besonders für Genussinteressierte so attraktiv machen, bietet sie vor allem in menschlicher Hinsicht große Vorteile: „Ich arbeite natürlich auch so, um ein gutes Gewissen haben zu können. Der Anbau von Kakaobohnen ist an sich ethisch schwer belastet. Kinder- und Sklavenarbeit sind da keine Seltenheit. Wenn du, wie ich und auch viele andere kleine Bean-to-bar-Produzenten, deine Bauern und Lieferanten kennst, kannst du so etwas natürlich viel besser ausschließen als bei großen Industrieplantagen.“ Ein ‚Fair Trade‘-Siegel brauche seine Schokolade nicht, sagt Butzmann: „Teilweise zahlen wir das Vierfache von dem, was in der Schokoladenindustrie als Kilopreis gängig ist. Das ist eben auch mehr als ‚Fair trade‘. Warum sollten wir ein Siegel auf unsere Produkte drucken, wenn wir dessen Standards sogar übertreffen? Unsere Kunden sind hauptsächlich Privatpersonen. Die kennen uns häufig gut genug, um zu wissen, was wir tun und wie wir arbeiten.“

Pro Jahr, so hat es sich der Chocolatier vorgenommen, sollen ungefähr drei neue Sorten erscheinen. Neben den rund 15 Herkunftsschokoladen aus aller Welt – die neue 70-prozentige Guatemala-Schokolade gehört zurzeit zu Butzmanns Favoriten – möchte er sich auf dem Gebiet der veredelten Schokoladen weiterhin ausprobieren und seiner Kreativität freien Lauf lassen können. Neben den bereits erwähnten Exoten finden sich hier auch klassischere Kombinationen von Schokolade mit Haselnüssen, Pistazien oder Kaffee, deren Qualität und Geschmack ebenfalls weit über vieles hinausragen, was derzeit auf dem deutschen Markt zu finden ist. Das neueste Projekt ist eine zweilagige, grün-rosafarbene Schokolade, die mit Matcha und Himbeere angereichert ist. Spannend wird es sicherlich sein, diese herzustellen, und vor allem weniger schmerzhaft als bei seiner Carolina-Reaper-Schokolade, für die nicht nur der geneigte Genießer einen trainierten Gaumen braucht: „Diese Schokolade zu gießen, ist immer ganz besonders toll“, sagt Butzmann lachend. „Irgendwann ist meist die ganze Luft voll mit dem Chilipulver und dann steht man da mit tränenden Augen und soll noch schöne Tafeln gießen. Aber was soll ich sagen, es lohnt sich.“

georgia-ramon.com

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